Social Freezing - Was ist das?

Trügerisch: Mit dem Einfrieren von Eizellen wird weiter an der optimierten Schwangerschaft geschraubt

  • Ulrike Henning
  • Lesedauer: 3 Min.
Nachdem das Einfrieren von Eizellen zur späteren Befruchtung technisch aus dem Versuchsstadium ist, wird es zum sozialen Angebot. Angeblich zum Nutzen der Frauen. Trifft dieser zu?

Zwischen 3000 und 10 000 Euro kann es eine Frau in Deutschland kosten, eigene Eizellen einfrieren zu lassen, um sie später befruchten zu lassen und zum »geeigneten« Zeitpunkt ein Kind zu bekommen. Der Vorteil sei, so die werbenden Kinderwunschzentren, dass die Zellen nicht altern und die Wahrscheinlichkeit einer erfolgreichen Schwangerschaft mit dem Gefrierprodukt höher sei. Ursprünglich wurde die Methode für Krebspatientinnen entwickelt, denen Eizellen vor der Chemo- und Strahlentherapie entnommen werden. So werden diese durch die Behandlung nicht geschädigt.

In diesem Fall ist das Vorgehen medizinisch angezeigt. Wird das Verfahren aber aus beruflichen oder persönlichen Gründen gewählt, ist vom »Social Egg Freezing« die Rede, für dessen Kosten die gesetzlichen Krankenkassen nicht aufkommen.

Im Bereich der Reproduktion ist oder scheint bereits vieles machbar. Einerseits kann es Frauen oder Paaren helfen, auf diese Technologien zurückzugreifen, wenn sie auf natürlichem Wege keine Kinder bekommen. Nur, harmlos sind die Verfahren deshalb nicht und hilfreich längst nicht in jedem Falle.

Vor allem tragen sie auf unheilvolle Weise zur Verschiebung gesellschaftlicher Prioritäten bei. Ihre Nutzung kann aus Gründen erfolgen, in denen die Selbstoptimierung die entscheidende Rolle spielt. Jetzt ist kein passender Partner in Sicht, jetzt muss Karriere gemacht werden, jetzt bin ich in der Firma unverzichtbar. Das Kinderkriegen wird nach hinten geschoben. Zugunsten der besseren eigenen Verwertbarkeit auf Heirats- oder Arbeitsmarkt.

Den Frauen selbst kann dies weniger zum Vorwurf gemacht werden - sofern finanziell in der Lage, weichen sie so gesellschaftlichem Druck aus. Schwangerschaft gilt gemeinhin als unverzichtbare weibliche Erfahrung. Ausbildung und Berufstätigkeit aber, von Karriere ganz zu schweigen, gestalten sich ungleich schwieriger, wenn »daneben« noch Kinder versorgt werden wollen. Hier lässt sich bislang mit keiner noch so fortgeschrittenen Reproduktionsmedizin etwas ändern, man müsste mehr für geborene Kinder tun.

Egg Freezing verschiebt den Druck nicht einmal: Die Karriere muss jetzt erfolgreich sein, damit das Kinderkriegen später »entspannt« verlaufen kann, wie Befürworter werben. Gelingt ersteres nicht, wurde eben umsonst eingefroren? Wieder einmal müssen Frauen alles unter einen Hut kriegen. Bei dem möglicherweise einzigen, späten Kind muss dann auch alles perfekt verlaufen. Diese Anspannung ist schon heute spürbar, sie reicht von der gewünschten schmerzfreien Geburt per Kaiserschnitt über die optimale Entscheidung zwischen Chinesisch- oder Yoga-Kurs für Dreijährige bis zur Wahl der Schule.

Ein Trugschluss ist auch der Glaube, Frauen gewönnen mehr Bewegungsfreiheit, indem sie den engen Zeitrahmen der eigenen Fruchtbarkeit technologisch etwas ausdehnen. Mit der Option einer späten Schwangerschaft werden ihnen nicht nur die Kosten dafür zugeschoben - jedenfalls in der Bundesrepublik -, sondern es wird auch erwartet, dass sie zuvor erst recht schonungslos in ihr Berufsleben investieren. Und die Kinderbetreuung dürften sie, mit 40 oder später entsprechend abgesichert, selbst finanzieren können. Die Frage, warum es so wenig (junge) Männer gibt, die Kinder und Familie bejahen, wird gar nicht erst gestellt, geschweige denn die nach der dahinter stehenden Existenzangst, wahlweise Egoismus genannt.

Hundertprozentige Sicherheit liefert das Einfrieren nicht: Nur ein Teil der Eizellen übersteht den Frost, nur ein Teil von diesen lässt sich erfolgreich befruchten. Probleme kann es auch bei der Hormonbehandlung zur Eizellreifung geben, von vergrößerten Eierstöcken bis hin zum schlechtesten Fall, einem tödlichen Gefäßverschluss. Medizinisches Restrisiko bleibt - auch bei dieser Variante vorauseilenden Gehorsams.

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