Drohnen als Politikersatz
Albanische Stadionprovokation von Belgrad gegen das zarte Pflänzchen der Annäherung
Fußball verbindet die Völker nicht immer. Und am Ende haben auf dem Balkan stets die Unschuldigen den von nationalistischen Ränkeschmieden geschürten Volkszorn auszubaden. In Serbien gehen nach dem abgebrochenen Fußballspiel gegen Albanien manche albanische Bäckereien in Flammen auf. In Kosovo sehen sich vor allem die Bewohner der Serbenenklaven wieder einmal wüsten Todesdrohungen ausgesetzt.
Statt zu mäßigen gießen Politiker noch kräftig Öl ins Feuer. Albanien werde noch »Jahrzehnte, wenn nicht Jahrhunderte« benötigen, um zu einem »normalen Staat« zu werden, zieht Serbiens Staatschef Tomislav Nikolic vom Leder. Albanien sei nicht »genügend gereift, um sich der europäischen Familie anzuschließen«, schließt sich ihm der wegen Sicherheitspannen kritisierte Innenminister Nebojsa Stefanovic an.
In Albanien, Kosovo und den albanisch besiedelten Teilen Mazedoniens wird der Belgrader Drohnenflug derweil unreflektiert und überschwänglich als Husarenstück gefeiert. Selbst Funktionäre des Albanischen Fußballverbands (FSHF) zögern nicht, die fatale Fahnenprovokation zu preisen, statt sich von ihr zu distanzieren - und halten mit ihrer Genugtuung kaum hinter dem Berg. Zu der über das Stadion segelnden Drohne mit einer Fahne einer provokanten Großalbanienkarte erklärte der FSHF, dies sei die einzige Art und Weise gewesen, »unsere nationalen Farben zu zeigen«.
Unter Großalbanien verstehen seine Verfechter neben der Republik Albanien und Kosovo das Presevo-Tal in Südserbien mit seiner lokalen albanischen Mehrheit sowie den Westen Mazedoniens mit einer ebenfalls regionalen Mehrheit der Albaner sowie Teile Montenegros und sogar Nordgriechenlands. Die Bevölkerung in einem solchen Staatsgebilde würde bis zu knapp sechs Millionen Menschen ausmachen. Die Republik Albanien hat 2,8 Millionen Einwohner.
Eigentlich sollte der erste Besuch eines albanischen Regierungschefs in Serbien seit 68 Jahren nächste Woche die Entspannung zwischen beiden Ländern dokumentieren. Doch ob Premier Edi Rama die Reise nach Belgrad nun antritt oder nicht: Der Drohnenprovokation durch Albaner hat die von der EU betriebenen Normalisierungsanstrengungen zwischen beiden Staaten weit zurückgeworfen.
Hatte auch in Serbien jemand daran ein Interesse? Sicher ist, dass das Drehen an der Konfliktspirale in der Region selten zufällig erfolgte. Von Dunkelmännern inszenierte Hooligan-Exzesse haben in den Nachfolgestaaten Jugoslawiens unselige Tradition. Sowohl im Inland zum Beispiel bei den Belgrader Botschaftsbränden von 2008, als auch im Ausland bei den Krawallen anlässlich des Spiels der serbischen Fußballnationalelf in Genua: Stets war die steuernde Hand der Politik, der Geheimdienste oder dubioser Sponsoren aus der Unterwelt erkennbar.
Rein sportlich sollten die albanischen Gäste das geringste Interesse am Spielabbruch gehabt haben, eröffnete sich ihnen doch zum ersten Mal die Chance, sich für ein großes Turnier zu qualifizieren. Nach Punkterfolgen gegen Portugal und Dänemark war Albanien als Gruppenerster nach Serbien gereist. Die Albaner standen in Belgrad zwar mächtig unter Druck. Doch ein Punktgewinn war im Bereich des Möglichen - bis zum Drohnenflug und Spielabbruch.
Die Drohnenprovokation ist großalbanischen Terrorgruppen in Kosovo und Mazedonien zuzutrauen. Eine Komplizenschaft mit serbischen Regierungsgegnern kann dabei nicht ausgeschlossen werden. So gab es zahlreiche andere Sicherheitspannen. Trotz eines Großaufgebots von 3500 Gesetzeshütern, reagierte die Polizei erst, als das Spiel längst unterbrochen war.
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