Keine Einigung im Gasstreit
EU-Kommission, Russland und Ukraine vertagten Gespräche auf kommende Woche
Langsam, aber sicher rückt der Winter näher. Für die Ukraine wird dies zum ernsthaften Problem, denn seit Mitte Juni erhält das Land kein Erdgas mehr aus Russland. Und auch die letzte Verhandlungsrunde zwischen dem russischen Energieminister Alexander Nowak und seinem ukrainischen Kollegen Juri Prodan brachte keine Einigung. Man habe zwar »wichtige Fortschritte« in Richtung einer möglichen Lösung gemacht, sagte der Vermittler, EU-Energiekommissar Günther Oettinger, nach den Verhandlungen am Dienstagabend in Brüssel. Doch vertagte man die Gespräche auf kommende Woche.
Seit Monaten streiten Moskau und Kiew nicht nur über separatistische Bestrebungen in der Ostukraine. Polens Nachbar hat auch Schulden in Milliardenhöhe bei Russland. Seit November vergangenen Jahres hat das Land seine Gasrechnung an den staatlichen russischen Gaskonzern Gazprom nicht mehr bezahlt. Die daraus entstandenen Schulden belaufen sich derzeit auf 5,3 Milliarden US-Dollar (4,1 Milliarden Euro). Moskau drehte deswegen den Gashahn zu.
Damit die Ukraine auch im Winter mit Gas heizen kann, stellt Russland vor allem zwei Bedingungen: Die nächsten Lieferungen soll Kiew nur per Vorkasse erhalten und bis Ende Oktober zumindest einen Teil seiner Schulden zurückzahlen. »Bevor Gas geliefert wird, muss die Ukraine 1,45 Milliarden US-Dollar überweisen«, sagte der russische Verhandlungsführer Nowak. EU-Energiekommissar Oettinger äußerte Verständnis für Moskaus Forderung und sicherte die Zahlung dieser umgerechnet rund 1,14 Milliarden Euro zu. Zudem soll Kiew bis Ende diesen Jahres weitere 1,65 Milliarden US-Dollar (1,23 Milliarden Euro) an Schulden tilgen.
Zuvor hatte auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) Druck auf die ukrainische Regierung gemacht. Jeder müsse seinen Beitrag leisten, sagte sie nach einem Treffen mit dem slowakischen Regierungschef Robert Fico am Montag in Bratislava. Dieser äußerte sich sogar noch deutlicher: »Es wird nicht so funktionieren, dass die Ukraine erwartet, alle werden etwas zur Lösung der ukrainischen Probleme tun, nur die Ukraine selbst nicht«, so Fico, dessen Land 79 Prozent seines Gasbedarfs mit russischen Importen deckt.
Doch Kiew ist chronisch pleite. Bereits im Frühjahr packte die EU-Kommission ein Hilfspaket über elf Milliarden Euro, um eine ukrainische Staatspleite zu verhindern. Nun bat die Regierung Jazenjuk Brüssel um weitere zwei Milliarden Euro. Für Russlands Energieminister stellt die Frage, wie die Ukraine die künftigen Gaslieferungen bezahlen will, aus diesem Grund ein Hindernis für eine Einigung dar. »Die Ukraine hat die Finanzierungsquellen bislang nicht bestätigt. Auch die EU-Kommission hat noch nicht festgelegt, mit welchen Ressourcen sie der Ukraine helfen könnte«, zitiert ihn die russische Nachrichten Agentur Rianovosti. Nowak brachte deswegen unter anderem ins Spiel, dass europäische Banken Kiew einen Kredit gewähren könnten. »Auch die EU-Kommission wäre in der Lage, eine Summe aus ihrem Haushalt locker zu machen«, so Nowak.
In einigen Punkten ist Moskau bereits auf die Ukraine zugegangen. So soll der Gaspreis im kommenden Winter bei 385 US-Dollar (300 Euro) pro Tausend Kubikmeter liegen. Dies ist ein Rabatt von 100 US-Dollar. Auch genehmigte die Staatsduma Russlands Rianovosti zufolge dem Gazprom-Konzern, die Schulden der Ukraine mit Zahlungen für die Transitkosten zu verrechnen. Denn ein Großteil des für die EU bestimmten Gases liefert der russische Staatskonzern via Pipelines durch das Bürgerkriegsland. Eine Lieferunterbrechung könnte deshalb auch die Gasversorgung in der EU unterbrechen. »Dies könnte den Bedarf an Speichergas in Europa deutlich erhöhen, könnte auch zu Einsparvorgängen führen«, so Energiekommissar Oettinger.
Indes wurden die Verhandlungen nicht nur zwischen den Energieministern geführt. Parallel zu den Gesprächen griffen Russlands Präsident Vladimir Putin und sein ukrainisches Pendant Petro Poroschenko zum Telefon, um weitere Schritte zu besprechen. Details wurden jedoch zunächst nicht bekannt. Kommt es zu keiner Einigung, wäre dies vor allem für die Ukraine ein Problem. Sollte es sehr kalt werden, sehe er ernste Risiken für die Ukraine, sollte diese zu wenig Gas bestellen, warnte Gazprom-Chef Alexej Miller. Mit Agenturen
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