Schwierigkeiten mit dem guten Geschmack

Die Designerin Silke Kegeler hat für ihr Spielzeug mehrere Preise bekommen - doch zu verdienen ist damit nicht viel

  • Danuta Schmidt, Leipzig
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Marktaufteilung in der Spielzeugindustrie macht es kreativen Leuten fast unmöglich, Fuß zu fassen, sagt die Thüringer Designerin Silke Kegeler. Ein Bericht zur diesjährigen Grassimesse in Leipzig.

Am kommenden Wochenende findet in Leipzig die renommierte Grassimesse statt. Im Fokus steht in diesem Jahr das Spielzeug-Design. 233 künstlerische Beiträge wurden aus ganz Europa eingereicht. An 70 Messeständen stellen 100 Künstler, Designer und Hochschulen aus. Die Qualität der Bewerbungen sei in diesem Jahr überdurchschnittlich hoch gewesen, heißt es aus der Jury.

Die Thüringer Spielzeug-Designerin Silke Kegeler ist in diesem Jahr nicht dabei. Sie war im vergangenen Jahr Ausstellerin. Dass die Design-Preisträgerin in diesem Jahr nichts zeigen darf, hat wohl damit zu tun, dass den Veranstaltern eine abwechslungsreiche Präsentation wichtig ist. Für die Thüringerin ist eine solche Messe die halbe Miete: »Ich bin Designerin, das ist meine Erfüllung. Mich zu vermarkten, das habe ich mittlerweile gelernt. Aber ich kann von meiner Arbeit nicht leben.« Silke Kegeler kann auf eine sehr fundierte und anspruchsvolle Ausbildung verweisen: Nach dem Abitur studierte sie Spielzeugformgestaltung an der renommierten Fachschule für Spielzeugformgestaltung in Sonneberg, danach Produktdesign an der Kunsthochschule Burg Giebichenstein in Halle. Seit dem Jahr 1994 arbeitet sie als selbstständige Designerin und hat 17 Jahre als Dozentin für die Fächer Naturstudium und Grundlagen visueller Gestaltung an der Fachhochschule Erfurt und Sonneberg unterrichtet. Parallel dazu eröffnete sie mit ihrem Lebenspartner eine eigene Werkstatt. Der Mann baute die Maschinen, auf denen Holzfiguren für die baden-württembergische Firma »Ostheimer« geschnitten und geschliffen werden.

Silke Kegelers Leidenschaft ist das Entwerfen. Für Kinder, die laufen lernen, schuf sie ein »Ziehvieh«, dessen Design sehr stark an Bauhaus-Spielzeug erinnert - so klar sind die zylindrischen Formen, aus denen das Tier zusammengefügt wurde. Oder sie entwirft Papierkostüme zum Zusammenbauen und Anziehen. 2011 gründete die 48-Jährige ihr eigenes Label »EINFACH GUT spielen«. Hintergrund war, dass sie sich mit einem einheimischen Kunststoffhersteller zusammentat und das Spiel »domory« entwickelte. Mit den Bausteinen lässt sich sowohl Domino als auch Memory spielen. Außerdem macht die Gestaltung der dreidimensionalen Spielsteine es möglich, dass Sehende auch mit Blinden spielen können.

Der Erfolg blieb nicht aus: 2011 wurde die Frau aus dem thüringischen Schleusingen auf der Internationalen Spielzeugmesse in Nürnberg mit dem »Goldenen Schaukelpferd« ausgezeichnet. »Als Designerin bin ich Erzieherin des guten Geschmackes, des Sinnvollen und des Neuartigen. Ich habe Sinn für Bedachtes, Angenehmes im Aussehen und Gebrauch. Aber was kann ich mir von einem Preis schon kaufen?« Die Hürden seien heute so hoch wie nie, sagt Kegeler: »Die jahrzehntelange Marktaufteilung in der Spielzeugindustrie macht es kreativen Leuten fast unmöglich, einen noch so kleinen Markt zu erobern.« Nicht zu vergessen sei auch der wachsende Markt, der Billigspielzeug aus Asien anbietet. Hohe Messekosten, Kosten für Neuentwicklung und Materialbeschaffung, fehlende Vertriebsstrukturen und Kreditangebote bei Banken täten ein Übriges.

Auf Messen, die für die Vermarktung sehr wichtig sind, macht die Designerin durchweg gute Erfahrungen: »Viele Besucher fragen, ob meine Produkte ›made in Germany‹ sind und freuen sich, dass ich keinen Mainstream produziere.« Natürlich sei es für große Firmen gewinnbringender, die Masse der Käufer nicht neu zu orientieren, denn das bedeute für die Unternehmen einen hohen Aufwand.

Obwohl seit 1994 selbstständig, muss Silke Kegeler »viele Einnahmen aus der Holzwerkstatt in die Realisierung meiner eigenen Produkte stecken. Da bleibt zum Leben und Sparen nicht mehr viel übrig.« Aber die starke Frau mit dem feuerroten Haar und der kräftigen Statur ist beharrlich. Kopf in den Sand stecken? Vielleicht mal einen Tag lang.

Der MDR widmete Silke Kegeler in seiner Sendung »einfach genial« einen eigenen Beitrag, auf den sich immerhin 100 Interessenten meldeten. Ihr »Ziehvieh« wurde in diesem Jahr für den »Toy award« in Nürnberg nominiert.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.