Streng nach Tradition

Vielerorts sind muslimische Bestattungen möglich - doch Bayern bleibt bei der Sargpflicht

  • Simon Schramm, München
  • Lesedauer: 4 Min.
Immer mehr Muslime werden in Deutschland beerdigt, doch eine Bestattung im Sarg ist bei ihnen unüblich. Inzwischen halten nur noch drei Bundesländer an der traditionellen Sargpflicht fest.

Nordrhein-Westfalen ist Vorreiter: Ein neues Gesetz ermöglicht es dort den muslimischen Gemeinschaften, eigene Friedhöfe zu errichten. Bundesweit ist das zwar noch ein Novum, aber immerhin gibt es auf vielen Friedhöfen in Deutschland muslimische Grabfelder und die meisten Bundesländer haben Ausnahmen geschaffen, die eine Beerdigung nach islamischer Tradition möglich machen. So halten einzig drei Bundesländer noch an der Bestattung im Sarg fest, die im Islam unüblich ist: Bayern, Sachsen und Sachsen-Anhalt.

Dabei steigt auch in Bayern die Zahl der Muslime, die sich dort begraben lassen wollen. »Wir haben gerade wieder erweitert«, berichtet Günther Gebhardt von der Friedhofsverwaltung Nürnberg. Seit 1989 gibt es in Nürnberg eine eigene Abteilung für Muslime, derzeit sind dort 300 Gräber belegt, etwa 100 weitere Gräber sind noch frei. Auch einige andere bayerische Städte haben muslimische Grabfelder auf ihren Friedhöfen angelegt, dort befindet sich in der Regel auch ein Gebäude für die im Islam gebräuchliche Leichenwaschung.

Die Felder liegen anders als herkömmliche: Ein Imam richtet die Gräber nach Südosten aus, gen Mekka. Das bayernweit erste muslimische Feld entstand vor 50 Jahren auf dem Münchner Waldfriedhof, rund 1200 entsprechende Gräber gibt es in der Stadt mittlerweile. In den 1960er Jahren folgten Ingolstadt und Forchheim und auch Orte wie Augsburg, Fürth, Hof oder Erlangen haben in den vergangenen 20 Jahren entsprechende Areale angelegt.

»Es gibt wirklich immer mehr Muslime, die ihre Angehörigen in Deutschland beerdigen«, sagt Mohamed Oudrefi. Der 31 Jahre alte Münchner wurde in Mekka ausgebildet, bestattet seit fünf Jahren in Bayern und Baden-Württemberg und organisiert auch Überführungen in das Ausland - wobei diese immer weniger werden. Oudrefi lobt die gute Zusammenarbeit mit den Friedhofsverwaltungen. »In Deutschland wird uns bei den Bestattungen kein Bein gestellt«, sagt er. Dennoch gibt es nach wie vor Unterschiede zwischen islamischer Tradition und deutschem Bestattungsgesetz.

Unüblich ist die Bestattung von Muslimen im Sarg. »Wir sind aus Erde und kehren zur Erde zurück«, sagt Bestatter Oudrefi. Eigentlich werden verstorbene Muslime lediglich in mehrere Leinentücher gewickelt. Die meisten Bundesländer haben darum das Bestattungsgesetz gelockert und Ausnahmen eingeführt. Oft finden die Beteiligten auch Kompromisse, indem zum Beispiel mit offenem Sarg beerdigt wird. Das bayerische Gesundheitsministerium hält derzeit allerdings an der Sargpflicht fest. Die Verwendung von Särgen entspreche der herkömmlichen Sitte und christlichen Tradition, heißt es dort. Probleme mit der Sargpflicht seien nicht bekannt. Die Opposition im Landtag hat schon mehrmals Ausnahmen angeregt - vergeblich.

Ein weiterer Unterschied: »Man sollte so schnell wie möglich beerdigen«, sagt Oudrefi. »Die Seele soll schnell in ihr ruhiges Bett gelangen.« In Deutschland darf ein Begräbnis allerdings frühestens nach 48 Stunden stattfinden, damit die Möglichkeit des Scheintodes ausgeschlossen ist. Problematisch wird es am Wochenende, wenn die Verwaltung nicht arbeitet und die Beerdigung sich noch mehr verzögert. Die Friedhofsverwaltungen lassen eine frühe Beerdigung zu, sobald der Totenschein ausgestellt wurde und Platz zur Bestattung vorhanden ist.

Für verstorbene Muslime gilt außerdem eine ewige Totenruhe. Jede Stadt entscheidet allerdings selber, wie lange auf den Friedhöfen ein Grab besteht und wann es neu besetzt werden kann. Nach Ablauf der Ruhefrist informieren die Friedhöfe die Angehörigen - die Frist kann dann verlängert werden. Meldet sich keiner, wird das Grab aufgelöst. Laut Oudrefi werden oft auch die Reste eines Verstorbenen zusammengetragen und tiefer gelegt. So sind Mehrfachbelegungen von Gräbern möglich.

In Regensburg ist seit dem Jahr 1999 ein muslimisches Grabfeld angelegt. Es werde sehr gut genutzt, sagt Armin Walling, der Leiter der Friedhofsverwaltung. Er weist darauf hin, dass eine Bestattung in Deutschland nach muslimischen Riten auch mit einer gelungenen Integration zusammenhänge. »Dort wo ich wohne und lebe, da setze ich auch meine Angehörigen bei.« Vor allem bei der zweiten Generation der hier lebenden Muslime beobachtet Walling dieses Denken. Im April hatte Regensburg das Grabfeld erweitert. Derzeit sind dort 120 Muslime beerdigt. dpa/nd

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