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Deutscher will Präsident Rumäniens werden

Der liberale Siebenbürger Johannis tritt gegen den aussichtsreichen sozialdemokratischen Premier Ponta an

  • Silviu Mihai, Bukarest
  • Lesedauer: 3 Min.
Bei den heute stattfindenden Präsidentschaftswahl zeichnet sich ein Duell zwischen dem amtierenden sozialdemokratischen Premier Victor Ponta und dem nationalliberalen Klaus Johannis ab.

In Rumänien steigt das Wahlkampffieber: Im Fernsehen, in den sozialen Medien und in den schicken Cafés der Hauptstadt wird heftig debattiert. Insgesamt 14 Kandidaten aller politischen Couleur lächeln von zahlreichen bunten Plakaten die Wählerschaft an. Bis zum Schluss haben die Kandidaten bei den am heutigen Sonntag stattfindenden Präsidentenwahlen in Rumänien um die Stimmen der rund 18 Millionen Wahlberechtigten geworben.

Das Staatsoberhaupt Rumäniens verfügt über nur geringe Vollmachten im wirtschaftlichen oder sozialen Bereich. Aber seine Rolle in der Sicherheits- und Außenpolitik, sowie seine repräsentative Funktion machen ihn in der Regel zu einem wichtigen Akteur. Dementsprechend sind das Interesse und die Beteiligung des Publikums an den Präsidentschaftswahlen meist größer als bei den Parlamentswahlen.

Allen Umfragen zufolge hat im Moment der sozialdemokratische Premier Victor Ponta die größten Chancen, für die nächsten fünf Jahre Staatschef zu werden. Seine Partei, die PSD, regiert seit 2012 das Land und kann eine relativ gute Bilanz in der Wirtschaftspolitik vorlegen. Das rumänische Bruttoinlandsprodukt hat wieder das Vorkrisenniveau erreicht. Die drastischen Sparmaßnahmen, die die wirtschaftsliberalen Vorgängerregierungen eingeführt hatten, konnten an entscheidenden Stellen rückgängig gemacht werden. Darauf beruht auch Pontas Popularität vor allem unter den Angestellten des öffentlichen Sektors, auf dem Land und in Kleinstädten sowie bei vielen Rentnern und Industriearbeitern.

Ponta vertritt eine gemäßigte sozialdemokratische Linie, die die EU-Fiskalvorlagen im Auge behalten hat, ohne dafür das Wachstum des Landes aufs Spiel zu setzen oder horrende soziale Kosten in Kauf zu nehmen. Angesichts dieser positiven Entwicklung - und der besseren Konjunktur - betrachten viele Anhänger des Premiers die zahlreichen Korruptionsaffären, in denen prominente Sozialdemokraten verstrickt sind, als zweitrangig, nicht zuletzt weil auch das wirtschaftsliberale Lager ebenso viel von Skandalen geplagt ist.

Pontas Gegenkandidat, der aller Wahrscheinlichkeit nach auf Platz zwei landen und damit in die Stichwahl am 16. November gehen wird, ist der Bürgermeister von Sibiu (Hermannstadt), der Siebenbürger Sachse Klaus Johannis. Mit der Unterstützung der Christlich-Liberalen Allianz (ACL) wirbt der Vorsitzende der Nationalliberalen Partei vor allem um die Stimmen der Mittelschicht aus den Großstädten. Genau wie Ponta vertritt er eine Vertiefung der EU-Mitgliedschaft Rumäniens, die baldmögliche Einführung des Euro und eine klare und gemeinsame europäische Position gegen eine Einmischung Russlands in die Ukraine und in die Republik Moldau. Diese zwei Länder sollen laut beiden Kandidaten mittelfristig in die NATO und in die EU aufgenommen werden. Rumäniens und Europas energetische Abhängigkeit von Russland soll hingegen mit allen verfügbaren Mitteln rasch reduziert werden.

Zudem spricht sich Johannis für einen Ausbau der Beziehungen mit Deutschland und für die Fortsetzung der liberalen Steuerpolitik. So soll die Flatrate-Einkommensteuer von 16 Prozent weiter gelten, ebenso wie die 2011 eingeführten Lockerungen des Arbeitsrechts, die mitteleuropäische Investoren nach Rumänien ziehen sollen. Außerdem vertritt Johannis - anders als Ponta - die in Mittel- und Nordeuropa verbreitete Ansicht, Schuldenreduzierung sei wichtiger als Wachstum in der Realwirtschaft.

Doch vor allem zieht der Kandidat der Opposition viele Wähler mit der oft wiederholten Behauptung an, er als Deutscher sei eben anders als seine Gegner und könne dem Land eine neue Kultur der Arbeit, der Ehrlichkeit und der Effizienz bescheren. Damit punktet Johannis allen voran bei den zahlreichen Rumänen, die von der gesamten politischen Klasse enttäuscht sind und sich eine grundlegende Reform der politischen Kultur wünschen.

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