Flüchtlinge steigen wieder aufs Dach
Es kann jeden Moment soweit sein - und die letzten 45 Flüchtlinge in der besetzten Gerhart-Hauptmann-Schule müssen das Gebäude verlassen, unfreiwillig. Am Dienstag hieß es zeitweilig in Medienberichten, das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg habe bereits ein Amtshilfeersuchen bei der Polizei eingereicht. Weder Polizei noch Bezirk wollten das aber bestätigen. Allerdings machte Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann (Grüne) im RBB klar: Wann und wie geräumt werde, liege bei »Henkel und Kandt«.
Währenddessen formiert sich der Widerstand. Wie beim Räumungsversuch im Sommer sind Flüchtlinge auf das Dach gestiegen, um sich vor dem Zugriff der Polizei zu schützen. In der Nacht zum Dienstag wurde von Unterstützern eine ständige Mahnwache auf der gegenüberliegenden Seite der Ohlauer Straße angemeldet. Bis zu 300 Personen versammelten sich, die Polizei spricht von 200. Sie hat nach eigenen Angaben 120 von ihnen abgedrängt und teilweise weggetragen, da sie nicht den Eingang der Schule verlassen wollten. Die Demonstranten sprachen von brutalem Vorgehen unter Gewalt- und Pfeffersprayeinsatz. Die Polizei dagegen meldet, diese hätten Beamte mit Pfefferspray angegriffen. Mehrere Strafverfahren wegen Widerstands gegen Vollzugsbeamte und gefährlicher Körperverletzung seien eingeleitet worden.
Etwa 500 Menschen hatten bis Dienstagnachmittag den Aufruf »Wir stellen uns quer« des Aktionsbündnisses »Zwangsräumung verhindern« unterschrieben - darunter Nachbarn, aber auch Institutionen und Vereine wie der Migrationsrat Berlin-Brandenburg oder Kotti&Co. Weiter zeichneten Unterstützer wie Shermin Langhoff, Intendantin am Maxim Gorki Theater, Dirk von Lowtzow, Sänger der Band Tocotronic, den Aufruf.
Auch die LINKE im Bezirk lehnt die Räumung ab. »Es geht gar nicht, dass Menschen so kurz vor dem Winter in die Obdachlosigkeit geschickt werden«, erklärt der BVV-Fraktionschef Reza Amiri. Entgegen der Aussage Herrmanns war der Beschluss des Bezirksamtes, die Schule im Ernstfall räumen zu lassen, nicht einstimmig: LINKE-Sozialstadtrat Knut Mildner-Spindler habe an der Abstimmung nicht teilgenommen. Aus der Schule soll nach Bezirkswillen ein Flüchtlingswohnheim entstehen, die Bewohner sollen das Haus verlassen. Dass in diesem Jahr aber noch Umbaumaßnahmen stattfinden, bezweifelt Amiri. Das Vertrauen der Flüchtlinge sei schwer erschüttert, da Senat und Bezirk die Abkommen mit ihnen missachtet hätten. »Hier wird ein Bruch provoziert, um sich mit einer Räumung aus der Affäre zu ziehen.«
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