Fakten und verstörende Vergleiche

Zwei Vortragsreisende als Gäste der LINKEN lassen den Streit über die Politik Israels in der Partei wieder aufleben

  • Roland Etzel und Fabian Lambeck
  • Lesedauer: 4 Min.
Der Nahostkonflikt führt nicht allein am Ort des Geschehens zu täglicher Konfrontation. Er polarisiert auch in den nicht direkt involvierten Staaten die politischen Lager.

Der Nahostkonflikt polarisiert auch in Deutschland und reißt Gräben selbst innerhalb von Parteien auf. Besonders die LINKE wurde wegen der Frage, wie man sich zur Politik Israels gegenüber den Palästinensern verhalten solle, schon mehrfach von scharfen Kontroversen geschüttelt. So auch in diesen Tagen. Anlass ist die Deutschland-Reise zweier Publizisten. Der eine, Max Blumenthal, ist US-Amerikaner, der am Russell-Tribunal zum Gaza-Krieg teilgenommen hat und sich seit Jahren mit der medialen Widerspiegelung der Nahostkriege in seiner Hemisphäre beschäftigt; der andere, David Sheen, geboren in Kanada, lebt seit Ende der 90er Jahre in Israel, wo er Dokumentarfilme macht, aber auch für die Tageszeitung »Haaretz« tätig ist.

Beide befinden sich derzeit auf einer Vortragsreise durch Europa. Von den LINKE-Bundestagsabgeordneten Wolfgang Gehrcke, Annette Groth und Inge Höger wurden sie deshalb zu einem Fachgespräch eingeladen - Titel: »Russell-Tribunal, Geberkonferenz und staatliche Anerkennung: Gaza und die internationale Politik«. Führende Vertreter der eigenen Bundestagsfraktion kritisierten die Einladung heftig, vor allem mit Bezug auf den in der Vergangenheit gegen Blumenthal und Sheen erhobenen Vorwurf des Antisemitismus und der Gleichsetzung der Politik Israels mit der des Nazi-Reiches. Die erste Veranstaltung sollte am 9. November in der Berliner Volksbühne stattfinden. Von dort aber erhielt man eine Absage. So zog man ins »Friedenscafé« in Berlin-Mitte. Eine zweite, am Montag im Fraktionssaal der LINKEN geplante Veranstaltung scheiterte zunächst am Einspruch von Gregor Gysi.

Der Linksfraktionschef wollte den Vorfall am Dienstag nicht hochkochen. »In aller Ruhe« werde man die Sache in Fraktionsvorstand und Fraktion besprechen, so Gysi vor Journalisten in Berlin. Der Fraktionsvorsitzende sagte, er teile die Kritik an der israelischen Siedlungspolitik, meine aber gleichzeitig, dass sich jeder Vergleich mit dem Dritten Reich in diesem Zusammenhang verbiete. Israelische Soldaten als Nazis zu bezeichnen, sei »völlig indiskutabel«, unterstrich Gysi.

Einen Schritt weiter war in der Vorwoche die Abgeordnete Petra Pau gegangen. In einem gemeinsamen Brief mit Volker Beck (Grüne) und Reinhold Robbe (SPD) hatte sie Frank Castorf und Thomas Walter, Intendant und geschäftsführender Direktor der Berliner Volksbühne, aufgefordert, die dort am Sonntag geplante Veranstaltung mit Blumenthal und Sheen nicht stattfinden zu lassen. Die drei Politiker begründeten das mit der besonderen Bedeutung des 9. November als Jahrestag antisemitischer Pogrome in Deutschland. Pikanterweise verwiesen sie in ihrem Brief auch darauf, dass sie »das hohe Gut der Meinungsfreiheit in diesem Land sehr schätzen«. Aber, so heißt es an anderer Stelle weiter, »ein so einseitig vorbelastetes Referentenduo ist in dieser Frage keine fachkundige Hilfe. Im Gegenteil.«

Stattgefunden hat die für den Montag vorgesehene Veranstaltung an einem Ersatzort- im Saal 200 des Paul-Löbe-Hauses, eines Bundestagsgebäudes, vor etwa 60 Zuhörern. Von diesen ist zu hören, dass besonders Sheen dazu neige, Haltungen extremistischer jüdischer Israelis mit Vokabular aus dem Nazi-Jargon zu charakterisieren. Eine Gleichstellung Israels mit dem faschistischen Deutschland habe es aber durch niemanden gegeben. Auch von früheren Auftritten der beiden auf dieser Reise war diesbezüglich nichts bekannt geworden.

Blumenthal sieht eine Kampagne gegen sich. Er sei im August in Gaza gewesen, dort seien Kriegsverbrechen geschehen. Darüber referierte er, mit den Worten endend: »Ich hoffe, dass meine Fakten überprüft werden.« Die LINKE-Abgeordnete Heike Hänsel äußerte gegenüber Blumenthal »tiefen Respekt vor Ihrer Arbeit«.

Kritische Stimmen gab es zu seinem Partner Sheen. Diese bezogen sich weniger auf seine Äußerungen, obwohl er Nazivergleiche anstellte, um bestimmte Verhaltensweisen in Israel zu charakterisieren. Wenig Anklang fand selbst bei Unterstützern seines Anliegens die rüde Art und Weise, wie er Gysi zu einer Begegnung zu nötigen versuchte. Auch Blumenthal griff zu harschen Äußerungen, sprach von »Krokodilstränen«, die Gysi vergieße, wenn er über Gaza spreche, aber gleichzeitig nicht mit ihm reden wolle und ihn boykottiere. Besonders aber griff er den Grünen Beck an: »Wieso sagt Volker Beck mir als Jude, wie ich den Staat Israel zu beurteilen habe?«

Schwere Vorwürfe kamen auch von den beiden Einladerinnen Groth und Höger - an ihre Fraktionskollegin Pau. Sie finden es »völlig unverständlich und inakzeptabel, dass eine Parteigenossin ein Theater darum bittet, eine Veranstaltung mit zwei jüdischen US-amerikanischen Journalisten und Autoren zu verbieten, weil sie angeblich ›antisemitische Ressentiments‹ bedienen«. Der Linken habe »diese Auseinandersetzung geschadet, das haben uns viele GenossInnen, aber auch viele Sympathisanten versichert. Sie erwarten von uns als LINKEN eine klare und eindeutige Position mit der Verurteilung der israelischen Regierung, die weiterhin auf den Ausbau der völkerrechtswidrigen Siedlungen setzt, die Minderjährige verhaftet und teilweise foltert, die die völkerrechtswidrige Blockade von Gaza aufrecht erhält.« Für eine Stellungnahme gegenüber »nd« war die Adressatin am Dienstag nicht erreichbar.

Bücher zum Thema:

Der 33-Tage-Krieg
Israels Krieg gegen die Hisbollah im Libanon und seine Folgen

Die Araber und der Holocaust
Der arabisch-israelische Krieg der Geschichtsschreibungen

Krieg ohne Ende?
Israel und die Palästinenser - Geschichte eines Konflikts

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