Die Schweiz stimmt wirtschaftsfreundlich
Feste Begrenzung der Zuwanderung wird ebenso abgelehnt wie Aufstockung des Goldbestandes
Christa Markwalder ist erleichtert. »Heute hat der Pragmatismus obsiegt«, sagt die liberale Nationalrätin nach der Abstimmung im Radio SRF. Markwalder ist eine der wenigen verbliebenen Pro-Europäer in ihrer liberalen FDP. Mit einer Annahme der sogenannten Ecopop-Initiative wären die Beziehungen zur EU irreparabel beschädigt gewesen. Diese Initiative sah vor, die jährliche Zuwanderung auf 0,2 Prozent der Bevölkerung zu begrenzen. Das Abkommen mit der EU über den freien Personenverkehr wäre nicht mehr haltbar gewesen.
Die Schweizerinnen und Schweizer haben die Initiative nun mit einer Mehrheit von 74 Prozent Nein-Stimmen deutlich abgelehnt. Kein einziger Kanton hat die Initiative angenommen. Selbst das italienischsprachige Tessin, das seit Jahren einen Ansturm italienischer Grenzgänger erlebt, hat die Initiative mit 63 Prozent abgelehnt. Dabei hatte der gleiche Kanton im Februar die weniger weitgehende Initiative über die Begrenzung der Zuwanderung noch mit mehr als zwei Dritteln angenommen.
Die Initiatoren sind enttäuscht. »Die Schweiz hat eine Chance verpasst, die Weichen zu stellen für eine nachhaltige Zukunft«, sagt der Geschäftsführer der Ecopop-Initiative, Andreas Thommen, im Schweizer Fernsehen. »Wir bleiben aber dran. Das Wachstum muss irgendwann beendet werden.«
Die Ecopop-Initiative hatte praktisch die ganze Schweizer Politik gegen sich. Sämtliche größere Parteien haben zur Ablehnung aufgerufen, sogar die rechtspopulistische Schweizerische Volkspartei (SVP). Richtige Analyse, falsches Rezept, so hatte SVP-Präsident Toni Brunner vor der Abstimmung immer wieder gesagt. Allerdings forderten mehrere SVP-Kantonalparteien zur Zustimmung auf.
Auch die Wirtschaft hatte in die Kampagne eingegriffen. Ecopop würde den Wohlstand der Schweiz einschränken. »Die radikale Vorlage hätte die Rahmenbedingungen für die Schweizer Wirtschaft in den kommenden Jahren massiv verschlechtert«, hieß es am Sonntag nach der Abstimmung in einer Pressemitteilung des Wirtschaftsdachverbandes economiesuisse.
Abgelehnt wurden auch die Volksinitiativen zur Erhöhung der Goldreserven der Schweizerischen Nationalbank sowie zur Abschaffung von Steuerprivilegien für reiche Ausländer.
Die Diskussion über die Zuwanderung wird aber weitergehen. Denn die Initiative zur Begrenzung der Zuwanderung, die im Februar angenommen worden war, muss nun umgesetzt werden. Der Freiburger Christdemokrat Urs Schwaller forderte gestern die Regierung zur Eile auf. »Wir brauchen eine rasche Lösung für die Umsetzung der Zuwanderungsinitiative.« Denn sonst bekämen diejenigen wieder Oberwasser, die das Misstrauen gegen die Politik und die Wirtschaft befördern. Ende Oktober 2015 sind Wahlen. Und da wollen die Mitteparteien wie die FDP und die Christdemokraten das Feld nicht den rechtspopulistischen EU-Gegnern überlassen.
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