Alleingänge im Märchenwald
Nach der Reduzierung ihrer Dopingsperre wechselt die zweifache Olympiasiegerin Evi Sachenbacher-Stehle von der Loipe zur Hochschule
«Ich bin total glücklich mit der Entscheidung», bekannte Evi Sachenbacher-Stehle nach ihrem Rücktritt vom aktiven Leistungssport. Dabei hätte die Biathletin nach der Verkürzung ihrer Dopingsperre auf sechs Monate durch den Internationalen Sportgerichtshof CAS sofort wieder in die Loipe gehen können. Aber: «Ich fühl’ mich nicht in der Lage, den Winter so zu bestreiten, dass ich meinen Ansprüchen genüge», sagte Evi Sachenbacher-Stehle tieftraurig vor den TV-Kameras, freute sich aber, denn das Urteil hätte «klargestellt, dass ich nicht absichtlich gedopt habe, dass ich in keiner Weise betrügen wollte.»
Die Biathletin war bei den Winterspielen in Sotschi nach Platz vier im Massenstart am 17. Februar positiv auf Methylhexanamin getestet worden. Der Genuss eines Tees aus Schisandrabeeren soll Schuld gewesen sein. Schisandra gilt in China als Wundermittel, steigert u.a. die Vitalität, die sexuelle Lust und soll auch Schönheit fördern. Aber nicht diese Eigenschaften des Getränks wurden der schönen Evi zum Verhängnis. Augenscheinlich war der Tee mit Methylhexanamin kontaminiert. Die stimulierende, amphetaminähnliche Substanz ist aber im Rahmen von Wettkämpfen verboten.
Wilhelm Schänzer, Leiter des Kölner Biochemielabors, warnt deshalb schon lange vor nicht kontrollierten Nahrungsergänzungsmitteln. Sachenbacher-Stehle indes vertraute nach eigenen Aussagen einem privaten Ernährungsberater, dessen Namen der Deutsche Olympischen Sportbund (DOSB) zwar kennt, aber nicht nennt.
Mögliche rechtliche Schritte gegen den Internationalen Biathlon Verband (IBU), der zunächst eine Sperre von zwei Jahren verhängt hatte, erwägt Marc Heinkelein, Anwalt der Sportlerin. Seine Mandantin sei auf die gleiche Stufe wie ein vorsätzlicher Epo-Doper gestellt worden, gibt Heinkelein zu bedenken.
Was das Reinheitsgebot der Teesorte betraf, so hatte Sachenbacher-Stehle stets betont, dem Hersteller geglaubt zu haben. «Das war in dem Moment mein Fehler, den habe ich teuer bezahlt und den muss ich mir auch eingestehen, jetzt würde ich alles anders machen. Aber klar, der positive Dopingtest war da, das wird immer einen kleinen Schatten werfen.»
Allein deshalb dürfte wohl auch Biathlon-Bundestrainer Gerald Hönig aufgeatmet haben, als er vom Rücktritt seines einstigen Schützlings hörte: «Ich kann diesen Schritt nachvollziehen. Ich wünsche ihr alles Gute für ihren neuen Lebensweg.»
Immerhin lag bereits 2006 ein kleiner Schatten auf der Laufbahn der damaligen Langläuferin. Im Vorfeld der Olympischen Winterspiele von Turin verhängte man ihr eine fünftägige Schutzsperre, weil leicht erhöhte Hämoglobinwerte festgestellt worden waren. Rechtzeitig war der Wert wieder normal und die Langläuferin gewann mit der 4x5-Kilometer-Staffel die Silbermedaille.
Die sportliche Laufbahn der Evi Sachenbacher-Stehle entwickelte sich ansonsten einer Loipe ähnlich: Mal ging es ganz nach oben, dann aber fand sie sich in tiefen Tälern wieder. Nach Gold mit der Staffel und Silber im Sprint bei Olympia 2002 in Salt Lake City folgten zwei Jahre zum Vergessen. 2010 in Vancouver dann wieder Olympiasiegerin im Teamsprint gemeinsam mit Claudia Nystad. Das Jahr darauf gelang nichts. Ausgerechnet mit einer Nahrungsmittelunverträglichkeit begründete Sachenbacher-Stehle dieses Tief.
2012 dann der spektakuläre Wechsel zum Biathlon. Die Umstellung dauerte, aber im März 2013 erreichte sie auf der zukünftigen Olympia-Loipe in Sotschi den sechsten Rang - ihr bis dahin bestes Biathlonresultat. Der Tag danach brachte einen Sieg mit der Staffel im Weltcup.
Ein Jahr später dann der positive Dopingbefund. «Alle schüttelten den Kopf. Die Evi habe sich verzettelt bei ihren Alleingängen durch den Märchenwald der Gurus und Heilsversprecher, schrieb die »Süddeutsche«. Dopingexperte Werner Franke wurde deutlicher: »Wer mit so einem Guru zusammenarbeitet, gehört schon wegen Dummheit gesperrt.«
Evi Sachenbacher-Stehle lernte daraus und studiert nun Ernährungsberatung. Ihr lehrreiches Praktikum hat sie ja bereits absolviert.
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.