Kontroversen um Olympia

Diskussionsveranstaltung der Stiftung Zukunft Berlin von Protesten begleitet

  • Tim Zülch
  • Lesedauer: 3 Min.
Olympiabefürworter und -gegner trafen sich vor und in der Max-Schmeling-Halle. Vier Demonstrierer wurden vorübergehend festgenommen. In der Halle, gebaut für die letzte Berliner Olympiabewerbung, wurde kontrovers diskutiert.

»Die Gegner von Olympia können hier nicht zu Wort kommen und mir wurde am Eingang olympiakritisches Infomaterial abgenommen«. Ein junger Mann ereifert sich zu Beginn der Diskussionsveranstaltung in der VIP-Lounge der Max-Schmeling-Halle in Prenzlauer Berg. Die Stiftung Zukunft Berlin und der Landessportbund hatten eingeladen, die Reformagenda 2020 des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) zu diskutieren. Als Klaus Böger, Chef des Landessportbundes ihm erwidert, man könne die Flugblätter holen, schleudert der junge Aktivist ein gefülltes Weinglas in Richtung Podium. »Ihr werdet scheitern«, ruft er beim Verlassen des Raums.

Mit der »Agenda 2020« hat das IOC Anfang Dezember in Monaco eine Transparenzoffensive beschlossen. Darin wird unter anderem festgelegt, dass die Vergabeverträge mit den Ausrichterstädten (sogenannte Host-City-Verträge) offen gelegt werden, Olympia ökologischer und nicht noch größer werden soll. Zudem wird die Nichtdiskriminierung sexueller Orientierungen als fundamentales olympisches Prinzip in die Olympische Charta aufgenommen.

Während auf der Diskussionsveranstaltung die Meinungen darüber, ob diese IOC-Agenda 2020 ein Fortschritt sei oder nicht, durchaus auseinandergehen und kontrovers diskutiert werden, ist die Antwort von rund 20 Demonstranten, die vor der Max-Schmeling-Halle mit Transparenten stehen, kategorisch. »Wir sind prinzipiell gegen Olympische Spiele«, sagt Judith Demba von den Naturfreunden, »Wir wenden uns gegen den Leistungsgedanken und auch den damit verbundenen Körperkult. Es sollten stattdessen Sporthallen saniert werden und Breitensportanlagen geschaffen werden. Das wäre zukunftsweisend.« Als die Demonstranten versuchen, geschlossen in die Veranstaltung zu gelangen, werden sie von der Polizei abgedrängt. Später werden vier von Ihnen festgenommen, zwei kurz darauf wieder freigelassen. Zwei Protestierer werden im Polizeigewahrsam erkennungsdienstlich behandelt. Auch sie sind mittlerweile wieder auf freiem Fuß.

Im Saal findet währenddessen – entgegen der Kritik der Protestierenden – eine durchaus kontroverse Diskussion statt: Die sportpolitische Sprecherin der LINKEN im Abgeordnetenhaus, Gabriele Hiller, die das spontane Angebot Klaus Bögers wahrnahm, auf dem Plenum Platz zu nehmen, kritisierte die IOC-Reformagenda, als nicht aufrichtig: »Das ist wie in einer Ehe, die am Ende ist. Einer der Partner verspricht alles, nur damit man zusammenbleibt.« Hiller meint damit das IOC, das offensichtlich gemerkt habe, dass demokratische Staaten sich mittlerweile mit einer Olympia-Bewerbung schwertun.
Sylvia Schenk, die 1972 selbst in München bei Olympia dabei war und heute für Transparency International arbeitet, sieht das Verhalten des IOC als Chance. »Wenn man die Spiele will, und ich will sie, dann muss man dafür kämpfen, die eigenen Kriterien durchzusetzen.« Zusammen mit Amnesty International und Terre de Femmes kämpfe sie für andere Spiele. »Ich sehe die Chance, dass sich etwas ändert. Die Reformagenda verdient auf jeden Fall ihren Namen«, so Schenk.

Eine Einschätzung die auch Helmut Digel, Ehrenpräsident des Deutschen Leichtathletikverbandes, teilt. »Der Weltsport hat ein erhebliches Imageproblem, das hat viel mit Kommerzialisierung zu tun. Aber in der Agenda 2020 sind entscheidende Veränderungen enthalten.« Der Journalist und Blogger Jens Weinreich sieht hingegen keinen Fortschritt beim IOC. »Nichts hat sich geändert an den Kriterien einer Bewerbung. Es zählen weiterhin nur die persönlichen Meinungen der IOC-Exekutivmitglieder. Nach technischen Kriterien lag beispielsweise Rio de Janeiro auf Platz vier, aber sie haben die Spiele trotzdem gekriegt. Warum?«

Während sich bei einer repräsentativen Umfrage von YouGov Anfang Dezember die Mehrheit der bundesweit Befragten für Berlin und gegen Hamburg als Bewerberstadt aussprachen, ist das Interesse in Berlin an den Spielen offensichtlich gering. So haben sich bei der Onlinebefragung des Senats zu Olympia bisher nur knapp 1000 Personen beteiligt.

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