Cannabis als Medizin
Warum ein besserer Zugang für Kranke und auf Therapien angewiesene Menschen nötig ist: ein Fachgespräch der Linksfraktion
Am Mittwoch fand in Berlin ein Fachgespräch der Linksfraktion zum Thema »Verwendung von Cannabis als Medizin« statt. Wenn man eine kurze Bilanz des dort Gesagten ziehen wollte (das Dank einer ausführlichen Dokumentation auch denen zugänglich ist, die verhindert waren), dann diese: Es braucht dringend einen besseren Zugang für Kranke und anderweitig auf Therapien mit Cannabis angewiesene Menschen. Denn das Recht auf Gesundheit steht auch jenen zu, für die der Konsum von Cannabis die einzige Alternative zu Schmerz und Leiden ist.
Eingeladen hatte der drogenpolitische Sprecher der Linksfraktion, Frank Tempel – mit dabei waren unter anderem der Hanfverband, der Rechtsanwalt Oliver Tolmein, die Linkenvorsiteznde katja Kipping und die International Association for Cannabinoid Medicines. Die Bedeutung des Themas wird am ehesten an einer Zahl deutlich: Rund 800.000 Menschen könnte Cannabis als Medizin laut Hanfverband helfen – und das allein der Bundesrepublik. Mehr Infos über das Fachgespräch finden sich hier. Eine Videodokumentation der Vorträge und der Diskussion soll bald folgen.
Gemeinsam mit der Bundestagsabgeordneten Kathrin Vogler hat Tempel ein Positionspapier zur Verwendung von Cannabis als Medizin vorgelegt. Die zentralen Punkte lauten: wirksame Therapien dürften nicht aus ideologischen Gründen verhindert werden; die Genehmigungspolitik der zuständigen Bundesbehörde müsse sich ändern; die Regeln und Voraussetzungen für Eigenanbau und Vergabe von Cannabis müssten vereinfacht werden; die Enttabuisierung von Cannabis als Medizin solle auch durch die Förderung von Forschung vorangetrieben werden. tos
Dokumentiert: Das Positionspapier von Vogler und Tempel
Eine gute Gesundheitsversorgung ist ein Menschenrecht. In Bezug auf Cannabis als Medizin werden aber aus ideologischen Gründen hohe, teils unüberwindbare Hürden aufgebaut. Den Patientinnen und Patienten werden so möglicherweise notwendige Therapieoptionen vorenthalten und die Forschung sehr erschwert. Es ist bezeichnend, dass Urteile des Bundesverfassungsgerichts und anderer Gerichte notwendig sind, um die Null-Toleranz-Politik der Bundesregierung aufzuweichen. Cannabis muss als Medizin entstigmatisiert und medizinisch nicht begründete Hemmnisse bei der Behandlung und Erforschung abgebaut werden.
Grundsätzlich wollen wir den Eigenanbau von Cannabis durch die Einführung von Cannabis-Social-Clubs erlauben (Bundestagsdrucksache 17/7196). Gleichzeitig sollten Arzneimittel einen Wirksamkeitsnachweis besitzen und eine zuverlässig hohe Qualität aufweisen (Bsp. gleichbleibende Wirkstärke, Zusammensetzung der pharmakologisch wirksamen Inhaltsstoffe, Verunreinigungen). Die Zulassungspflicht für Arzneimittel ist eine wichtige Errungenschaft, um Menschen vor Schäden durch Arzneimittel zu bewahren. Mittelfristig sind daher Cannabis-Arzneimittel wünschenswert, für die nachgewiesen ist, dass sie mehr nutzen als schaden. Schließlich haben auch Menschen, deren Erkrankung mit Cannabis behandelt kann, das Recht auf einen bestmöglichen Schutz vor Arzneimittelrisiken.
Die Bundesregierung muss über den Bundestag verpflichtet werden, für eine andere Genehmigungspolitik bei der Bundesopiumstelle zu sorgen. Insbesondere wollen wir die Anforderungen für eine Ausnahmegenehmigung nach § 3 Abs. 2 BtMG herabsetzen. Außerdem muss gewährleistet sein, dass Menschen mit einer Ausnahmegenehmigung auch tatsächlich Cannabis erhalten. Das kann grundsätzlich über die Genehmigung zum Eigenanbau oder über die Erstattungsfähigkeit von Cannabis-Blüten oder -Extrakt durch die Krankenkassen geschehen. Für den Eigenanbau soll die Bundesopiumstelle Hinweise für die Betroffenen erarbeiten, die eine aus medizinischen/pharmazeutischen Gesichtspunkten bestmögliche Selbsttherapie ermöglichen (Sorten, Anbaumethoden etc.). Wichtig ist, dass für die Sicherung von Cannabis gegen unerlaubten Zugriff keine höheren Anforderungen gestellt werden dürfen als für andere verschreibungsfähige Betäubungsmittel wie Morphin, Methadon oder Dronabinol. Zudem müssen die formalen Anforderungen für die Antragstellung nach § 3 Abs. 2 BtMG herabgesetzt werden.
Kurzfristig müssen bestehende Forschungshemmnisse abgebaut werden. Dazu sollte Cannabis sowie enthaltene Inhaltsstoffe als Sofortmaßnahme von der Anlage I (nicht verkehrsfähig) bzw. Anlage II (verkehrsfähig, aber nicht verschreibungsfähig) vollständig in die Anlage III (verkehrs- und verschreibungsfähig) des Betäubungsmittelgesetzes (BtMG) übertragen werden. Forschungsvorhaben werden damit erleichtert und Cannabis als Medizin weiter enttabuisiert. Eine rechtliche Ungleichbehandlung von Cannabis mit Dronabinol, Nabilon sowie cannabishaltigen Fertigarzneimitteln kann sachlich nicht begründet werden. Die öffentlich finanzierte Forschung zum medizinischen Nutzen von Cannabis muss intensiviert werden.
Wichtig ist auch, dass die Herstellung standardisierter Medizinalblüten oder Extrakte in Deutschland für die Versorgung der Inhaberinnen und Inhaber einer Ausnahmegenehmigung rechtlich ermöglicht wird. So können die Bezugspreise und damit die Kosten für die Betroffenen bzw. die Krankenkassen gesenkt werden.
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