Neue Wahl, neue Chance
Vorgezogene Parlamentswahl in Griechenland / SYRIZA sieht Sparpopoltik am Ende / Riexinger: Neuwahlen in Griechenland sind eine Chance
Update 16.15 Uhr: Der Internationale Währungsfonds (IWF) setzt seine Notkredite für Griechenland bis zur Bildung einer neuen Regierung aus. Die nächste Kredittranche könne erst ausgezahlt wenn, wenn nach der für Januar geplanten Neuwahl eine neue Regierung gebildet worden sei, teilte der IWF am Montag in Washington mit. Er reagierte damit auf die endgültig gescheiterte Wahl eines Staatschefs im griechischen Parlament, was die Auflösung der Volksvertretung und eine vorgezogene Parlamentswahl nach sich zieht.
Die Verhandlungen über die nächste Tranche an Notkrediten führt der IWF gemeinsam mit Vertretern der EU-Kommission und der Europäischen Zentralbank (EZB). Die Gespräche der Troika mit Athen würden erst wieder aufgenommen, »wenn eine neue Regierung steht«, sagte IWF-Sprecher Gerry Rice. Er fügte hinzu, Griechenland habe keinen »unmittelbaren« Finanzierungsbedarf.
Update 14.10 Uhr: Mit Blick auf die anstehenden Parlamentswahlen in Griechenland fordert die Brüsseler EU-Kommission weitere Reformanstrengungen von dem Land. »Ein starkes Bekenntnis zu Europa und breite Zustimmung unter den griechischen Wählern und politischen Führungspersönlichkeiten für den nötigen wachstumsfreundlichen Reformprozess« sei entscheidend, damit Griechenland »wieder innerhalb der Eurozone florieren« könne, teilte EU-Wirtschafts- und Finanzkommissar Pierre Moscovici am Montag mit. Die EU-Kommission gehört zur Troika der internationalen Geldgeber in Griechenland.
Update 13.50 Uhr: »Die Zukunft hat bereits begonnen. Seid optimistisch und fröhlich«, forderte Alexis Tsipras unmittelbar nach dem Scheitern der Präsidentschaftswahl, das in eine vorgezogene Parlamentswahl am 25. Januar münden wird. Angesprochen hat der wahrscheinliche nächste Ministerpräsident Griechenlands damit vor allem die Linken im eigenen Land, aber auch in Europa. Doch wohin steuert das Linksbündnis Syriza, sollte es mit der Wahl tatsächlich in Regierungsverantwortung kommen, fragt Anke Stefan.
Update 13.40 Uhr: DIW-Chef Marcel Fratzscher sieht trotz der angespannten politischen Lage in Griechenland keine erheblichen Gefahren für Europa. »Ich erwarte keinen signifikanten Rückschlag für Europa durch die politische Krise in Griechenland«, sagte der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) am Montag der dpa. »Viele andere Krisenländer in Europa sind auf einem guten Weg, haben wichtige Reformen umgesetzt und sehen erste wirtschaftliche Erfolge.«
Fratzscher sieht in einer möglichen Regierungsübernahme der Linken in Griechenland nach den vorgezogenen Neuwahlen sogar Chancen. »Das politische Erdbeben durch eine mögliche Regierungsübernahme durch Syriza könnte zwar kurzfristig Kosten haben, jedoch auch einen notwendigen Neuanfang für das Land herbeiführen.«
Griechenlands politische Krise sei notwendig und unvermeidbar gewesen, sagte Fratzscher. »Die Leistung der griechischen Regierungen in den letzten fünf Jahren war erschreckend schlecht. Die griechischen Regierungen haben vor allem versucht ihre politische Macht und wirtschaftlichen Pfründe zu sichern, nicht jedoch Reformen umzusetzen und ihr Land zukunftsfähig zu machen.«
Syriza könnte zwar einige Reformen rückgängig machen, als Regierung würde das Linksbündnis jedoch verstehen, dass Griechenland auf den Euro und auf Europas Hilfe angewiesen sei, sagte Fratzscher.
Update 13.10 Uhr: Die LINKE in Deutschland sieht das Scheitern der Präsidentenwahl in Griechenland als Quittung für die Sparpolitik der Europäischen Union (EU). Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) »steht vor dem Scherbenhaufen ihrer Austeritätspolitik in Europa«, erklärte Parteichef Bernd Riexinger am Montag in Berlin. Die Politik »sozialer Kürzungen, öffentlichen Ausverkaufs, massenhafter Arbeitslosigkeit« und des Abbaus von Arbeitnehmerrechten in den Ländern des europäischen Südens sei maßgeblich von der Bundesregierung durchgesetzt worden und gescheitert.
»Die Neuwahlen in Griechenland bieten die Chance, die europäische Idee wiederzubeleben«, erklärte Riexinger weiter. Die Linke in Deutschland unterstützt seit langem die griechische Syriza-Partei mit ihrem Vorsitzenden Alexis Tsipras.
Riexinger mahnte mit Blick auf die für den 25. Januar geplanten Neuwahlen: »Die Entscheidung über den weiteren Weg liegt nun beim griechischen Volk.« Die Europäische Union (EU) und die Bundesregierung sollten sich »tunlichst aus der Entscheidungsfindung heraushalten«.
Neuwahlen in Griechenland am 25. Januar geplant
Athen. Nach dem Scheitern der Präsidentenwahl in Griechenland strebt Ministerpräsident Antonis Samaras den 25. Januar als Termin für die vorgezogene Parlamentswahl an. Er werde am Dienstag zum Staatspräsidenten gehen und beantragen, dass die Wahl »so früh wie möglich, am 25. Januar«, abgehalten werde, sagte Samaras am Montag in einer Fernsehansprache.
Das Parlament in Athen hatte zuvor im dritten und letzten Durchgang die Wahl eines neuen Staatschefs scheitern lassen und damit Neuwahlen nötig gemacht. Der von der Regierung unterstützte einzige Kandidat Stavros Dimas verfehlte mit 168 Stimmen die notwendige Mehrheit von 180 der 300 Abgeordneten. Gemäß der Verfassung muss das Parlament nun binnen zehn Tagen aufgelöst werden, Neuwahlen müssen spätestens Anfang Februar stattfinden.
Die Finanzminister der Eurozone fürchten, dass dabei die linksgerichtete Syriza-Partei stärkste Kraft werden könnte. Die Partei, die in Meinungsumfragen seit Monaten vorn liegt, lehnt die auf Druck der internationalen Gläubiger eingeleiteten Sparprogramme der griechischen Regierung ab. Syriza-Chef Alexis Tsipras sagte am Montag, er wolle die Sparprogramme beenden. »In ein paar Tagen werden die Vereinbarungen über Einsparungen Geschichte sein«, sagte Tsipras.
Sichtlich zufrieden erklärte er: »Heute ist ein historischer Tag für die Hellenische Republik.« Die Entscheidung des Parlaments signalisiere das Ende der Sparpolitik, die zur »Plünderung des Volkes« durch die Sparvorgaben der Regierung geführt habe. Diese Wende werde das griechische Volk auch bald bei den Wahlen besiegeln, gab sich Tsipras zuversichtlich.
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hatte am Samstag von Athen die Einhaltung der Sparzusagen angemahnt. »Jede neue Regierung muss vertragliche Vereinbarungen der Vorgänger einhalten«, sagte Schäuble der »Bild«-Zeitung. Neuwahlen änderten nichts an den Schulden Griechenlands. Ende Februar läuft nach einer Verlängerung um zwei Monate das aktuelle Hilfsprogramm für Griechenland aus.
Auch der CSU-Finanzpolitiker Hans Michelbach sprach sich nach der gegen ein finanzielles Entgegenkommen der EU-Partner aus. »Griechenland kann keinen weiteren Rabatt erwarten«, sagte der Vorsitzende der Mittelstands-Union dem in Berlin erscheinenden »Tagesspiegel« (Dienstagsausgabe). Agenturen/nd
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