Operation »Hollywood-Hotel« und andere
Von Lieferungen an CIA-Folterknäste bis zur Weitergabe von Handydaten - die Bundesregierung hat nichts gelernt
Sarajewo, Hotel Hollywood im Stadtteil Ilidza. Es ist der Morgen des 25. Septembers 2001. An jenem Dienstag flog krachend eine Tür auf. Vermummte und Bewaffnete stürmten das Zimmer, schlugen den Hotelgast nieder und fesselten ihn. Abdel Halim Hassanin Khafagy hieß der Mann und war Eigentümer eines kleinen Münchner Verlages. In Sarajevo sei er gewesen, um die Herausgabe einer Koranübersetzung voranzubringen, behauptet Khafagy.
Für US-Geheimdienste, die nach den grausamen Attentaten vom 11. September 2001 wie im Wahn Terroristen jagten, war der Ägypter verdächtig. Nach der Festnahme noch rund einen Monat lang, dann schoben die Peiniger ihn über Ägypten ab.
Der Fall wäre einer von Tausenden, nicht einmal einer der schlimmsten, wären nicht alsbald deutsche Behörden und Regierungsstellen darin verwickelt worden. Das Bundeskriminalamt hatte die beiden Kriminalhauptkommissare Port und Zorn nach Bosnien-Herzegowina geschickt, um Khafagy zu vernehmen.
Doch das lehnten die beiden Kriminalisten vor Ort ab, nachdem man ihnen den offensichtlich von Folter gezeichneten 69 Jahre alten Mann vorführte. Gegenüber ihren Vorgesetzten und der Bundesanwaltschaft empörten sich die Beamten über Haftbedingungen und Verhörmethoden der US-»Kollegen«: Die Fenster der Knastcontainer auf der »Eagle Base« bei Tuzla waren verdeckt, ständig brannte Licht, man quälte Gefangenen mit Schlafentzug und Isolation.
Dass der damalige BKA-Präsident Klaus-Ulrich Kersten davon erfuhr, ist verbürgt. In einem Bericht an ihn ist von »gewissen Indizien für Menschenrechtsverletzungen und mit deutschen Rechtsnormen kollidierenden Vernehmungspraktikern durch die US-Befrager« zu lesen. Auch ein in Sarajevo stationierter BND-Mitarbeiter berichtete nach Pullach. Doch der damalige Geheimdienstpräsident August Hanning hat daran keine Erinnerung mehr. »Für mich war wichtig: Die ganze Operation hat nicht zum Erfolg geführt. Es gab keine wichtigen Erkenntnisse, die für den Bundesnachrichtendienst von Bedeutung waren.« Auch bei der Nachrichtendienstlage im Kanzleramt und dem damaligen Chef, den heutigen Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier, schrumpfte der Fall Khafagy zur Randnotiz. Menschrechtsverletzungen? Egal.
Dabei stand der »Fall Khafgy« am Anfang. Selbst wenn man ihn noch als »spontane Überreaktion« nach dem 11. September hätte bewerten wollen, so zeigten die Entführungsfälle Khaled el-Masri (der deutsche Staatsbürger wurde 2003 gekidnappt) und Murat Kurnaz (der in Bremen lebende Türke kam erst 2006 aus dem US-Terrorcamp Guantanamo-Bay frei) das Unrechtsregime der USA. In das sich bundesdeutsche Dienste einfügten. Spätestens bei der direkten Vernehmung des quasi an die CIA ausgelieferten, in Hamburg wohnenden Muhammad Haidar Zammar, den deutsche Beamte direkt im syrischen Foltergefängnis befragten, wusste man Bescheid. Der Deutsch-Syrer kam erste 2013 wieder frei.
Mit einem minimalen Aufklärungsaufwand hätte die Bundesregierung wissen können, dass es bei den NATO-Verbündeten auch in Osteuropa CIA-Foltergefängnisse gab. Möglicherweise gab es die sogar in Deutschland. Im sogenannten BND-Untersuchungsausschuss des Bundestages, der 2009 seinen Bericht vorgelegt hat, kamen seltsame Vorgänge in den Coleman Barracks, das ist eine US-Kaserne in Mannheim, zur Sprache. Von April 2006 bis September 2006 habe man dort gefangene, Arabisch sprechende Personen unter menschenunwürdigen Bedingungen gehalten. Die Informationen sollten von einem in Mannheim stationierten US-Soldaten stammen. Doch da die US-Behörden verneinten, den Gefreiten zu kennen, zog die deutschen Justiz eiligst davon. Dabei gibt es einen Zeugen, der aus seiner Wohnung einen guten Blick in das Militärgefängnis hatte und bereits 2002 oder 2003 drei in Ketten gehaltene, schwer bewachte bärtige Männer in orangefarbenen Overalls gesehen haben will.
Keinerlei Mühe verwandten deutsche Ermittler auch auf die Ermittlung sogenannter Rendition-Flüge. Dabei machten Maschinen der CIA-Firmen immer wieder auch Zwischenstation auf Flughäfen der Bundesrepublik. Über einzelne Punkte ihrer Menschenrechtsverletzungen haben CIA-Chefs ihre deutschen Partner angeblich informiert, doch die sind bei Nachfragen weiter von Vergesslichkeit befallen.
Nicht nur die CIA hat sich auf verschiedenste Art als kriminelle Folterbande erwiesen. Das US-Militär agierte in gleicher Weise. Was der damalige Pentagon-Chef Donald Rumsfeld 2002 nur geheim befahl, war 2006 offizieller Bestandteil des Feldhandbuches der Army. Dennoch lieferte die Bundeswehr in Afghanistan Gefangene an die dortige »Gerichtsbarkeit« aus. Dass die »besten Stücke« an die US-Dienste verkauft wurden, wie das auch immer wieder in Pakistan geschieht, ist nicht zu bezweifeln.
Wie wenig deutsche Politiker und Beamte aus den Skandalen gelernt haben, zeigt sich an der Weitergabe von Handy- und anderen Kommunikationsdaten an US-Geheimdienste. Mit Hilfe dieser Informationen werden Drohnen ausgeschickt, mit denen - wie man weiß - nicht nur mutmaßliche Terroristen umgebracht werden.
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