Hochzeit auf dem Oranienplatz

Aktivistinnen und Frauenrechtlerinnen kritisieren Zustände von Frauen in Flüchtlingsunterkünften

  • Kerstin Ewald
  • Lesedauer: 4 Min.
Im Haus der 28 Türen auf dem Oranienplatz fand am Wochenende eine besondere Zeremonie statt. Die Hochzeit von Napuli Paul Langa ist ein Erfolg für die Flüchtlingsaktivistin.

Napuli, die »Baumbesetzerin vom Oranienplatz«, hat geheiratet. Napuli Paul Langa, die Menschenrechtskämpferin, Asylbewerberin und flammende Kritikerin des deutschen Asylsystems, zeigte sich am vergangenen Samstag küssend und händchenhaltend mit ihrem Mann Max Goerlich. Sie im weißen Brautkleid aus perlenbestickter Seide und Tüll, er im grauen Hochzeitsanzug und ordentlicher Gelfrisur. So erschienen die beiden Frischvermählten bei einem Happening am Oranienplatz im Stadtteil Kreuzberg.

An jenem Ort also, an dem bis April 2014 das Protestcamp von Flüchtlingen stattgefunden hatte, und wo sie sich am Lagerfeuer verliebt hatten. Der formale Akt der Eheschließung von Napuli und Max war kompliziert und langwierig, denn die Berliner Ausländerbehörde hatte ihnen eine »Scheinehe« unterstellt. So mussten sie gegenüber der Behörde schriftlich ihre Liebesgeschichte darlegen, zusätzlich zu den vielen anderen Dokumenten, die in Deutschland von jedem binationalen Brautpaar verlangt werden. Die Papiere aus den Heimatländern müssen übersetzt, von der Innenbehörde des ausstellenden Staates beglaubigt und von jeweiligen deutschen Botschaften legalisiert werden. Eine Prozedur, die manchmal länger als ein Jahr dauert. Bei Napuli und Max kam erschwerend hinzu, dass die Behörden im Südsudan, Napulis Herkunftsland, kein Ehefähigkeitszeugnis ausstellen. Das Paar musste bei der Präsidentin des Berliner Kammergerichtes einen Antrag auf Ausnahmegenehmigung stellen, dem erst nach langem Hin und Her stattgegeben wurde.

»Viele binationale Paare heiraten in Dänemark, weil Ehen dort mit viel geringerem bürokratischen Aufwand geschlossen werden können,« erklärte Max Goerlich, »doch Napuli und ich wollten hier in Deutschland den offiziellen Weg gehen, um zu zeigen, dass wir im Recht sind.«

Mit Konfetti, Blumen und Hochzeitstorte ließen Napulis Weggefährtinnen aus den Berliner Migranten-Netzwerken, von »Women in Exile«, von der Roma Community, vom »International Women Space«, der Karawane und vom »Kurdischen Frauenrat Destdan e.V.«, das Brautpaar hochleben.

Sprecherinnen der verschiedenen Flüchtlingsgruppen erinnerten sich an die gemeinsam geführten Kämpfe der letzten drei Jahre. Napuli Paul Langa hatte im Sudan als Mitglied einer Menschenrechtsgruppe eriträische und äthiopische Flüchtlinge beraten, bevor sie selbst aus der Region fliehen musste und 2012 in Deutschland Asyl beantragte. Im September des gleichen Jahres schloss sie sich in Braunschweig den Flüchtlings-Protestzügen an. Zusammen mit 70 Flüchtlingen und 100 Unterstützern traf sie schließlich im Zeltdorf am Oranienplatz ein. Von dort aus organisierten die Aktivisten regelmäßig Demonstrationen gegen die Lager- und Residenzpflicht, sowie die vorherrschende Abschiebepraxis gegenüber Geflüchteten. Als im April 2014 die Räumung des Platzes drohte, kletterte Napuli auf eine Platane und blieb dort beinahe fünf Tage lang. Später nahm sie auch an der Besetzung der Gerhardt-Hauptmann-Schule teil. Die Aktivistinnen erinnerten auch an die kleinen gemeinsam errungenen Erfolge: So hatte 2014 der Deutsche Bundestag die von Asylbewerber lang bekämpfte Residenzpflicht abgeschafft.

Kein Grund für die Frauen vom Oranienplatz, mit einem europäischen Asylregime Frieden zu schließen. Immer noch schaffen es überhaupt nur wenige Frauen, den Grenzwall um Europa zu überwinden., erklären sie am Samstag. Und dies, obwohl 80 Prozent der Flüchtenden weltweit Frauen sind und obwohl 2005 auch frauenspezifische Fluchtgründe wie Zwangsverheiratungen, Genitalverstümmelungen, häusliche Gewalt prinzipiell anerkannt wurden. Die wenigen Frauen, die es ins Exil nach Deutschland geschafft haben, fänden dort unzumutbare Bedingungen vor. Ivy, Aktivistin vom »International Women Space« sieht die Sicherheit von Frauen und Kindern in Flüchtlingsunterkünften nicht gewährleistet. Häufig komme es zu sexuelle Übergriffen in Heimen, in denen es keine Privatsphäre gebe und wo man teilweise nicht einmal die Toiletten abschließen könne.

Erschwerend komme hinzu, dass die Flüchtlingsunterkünfte oft weitab von anderen Siedlungen liegen, was das Gefühl der Frauen des ausgeliefert seins noch verstärke, so die Aktivistinnen. Die zuständigen Sozialarbeiter seien selten aufgeschlossen, geschweige denn ausgebildet für die frauenspezifische Problematik. Für die Betroffenen habe das oft fatale psychische Folgen.

»Wir werden die Welt verändern!« ruft Napuli am Samstag ihren Kampfgefährtinnen am Oranienplatz zu. Sie hat inzwischen eine eigene Menschenrechtsorganisation »Blacks and Whites together for Human Rights« gegründet. Und so wie sie im sommerlichen Brautkleid bei Temperaturen um die Null Grad im zugigen Pavillon der 28 Türen stundenlang ausharrt, ohne mit der Wimper zu zucken und so wie sie ihre Weggefährtinnen kennen, so wortgewandt, mutig und ungestüm, können sie wohl nicht umhin, ihr darin Glauben zu schenken.

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