In Fukushima soll die Uhr bald wieder ticken
Kraftwerksbetreiber Tepco will viel Geld ausgeben, um das sportliche Umfeld des Katastrophengebiet wieder »urbar« zu machen
Japans Fußballer sollen sich in Fukushima auf die Olympischen Spiele 2020 vorbereiten. Ein Teil des Hauptquartiers von Kraftwerkbetreiber Tepco soll 2018 für ein Trainingslager genutzt werden. Noch ist die gigantische Sportanlage 20 Kilometer südlich der havarierten Atomreaktoren aber das Basislager für Tausende Atomarbeiter. Das Einzige, was in der einstigen Vorzeige-Sportanlage noch an einen Fußballplatz erinnert, ist die Anzeigetafel. Seit fast vier Jahren zeigt sie 14:46 Uhr an. Als das Megabeben der Stärke 9,0 den Atomunfall ausgelöst und das normale Leben mit einem Schlag zerstört hat, ist auch die Uhr stehen geblieben.
Der Rasen, auf dem sich die japanische Nationalmannschaft auf die Weltmeisterschaft 2006 vorbereitet hatte, ist voll gestopft mit Baracken. Hier haben die Firmen, die am Rückbau der Atomruine beteiligt sind, ihre Einsatzzentralen eingerichtet. Schon die ersten Hilfskräfte, die mit ihren verzweifelten Löschversuchen möglicherweise Schlimmeres verhindert haben, legten damals im sogenannten J-Village ihre Ganzkörperschutzanzüge an.
»Wir wollen dieses Basislager für den Reaktorrückbau zum Symbol des Wiederaufbaus in Fukushima machen«, erklärte Takayuki Kondo, der Leiter des gemeinsam von der Präfekturregierung und dem Fußballverband gegründeten Wiederaufbauprojekts. Das Projekt komme gut voran, so Kondo. Stolz verkündete er, dass ein Teil der Anlage sogar neun Monate früher als geplant, im Juli 2018 wieder als Trainingseinrichtung eröffnen werden könne. Neben den Japanern sollen auch internationale Teams dort trainieren, hofft Kuniya Daini, Präsident des Fußballverbandes JFA.
Um die Fukushima-Einsatzzentrale wieder für Sportler attraktiv zu machen, will Kondo für 3,7 bis 5,2 Milliarden Yen (27,8 Millionen Euro) ein neues hochmodernes Allwetterstadion und diverse neue Hotelanlagen bauen lassen. Tepco bezahlt die Wiederherstellung der zerstörten Rasenplätze. Den Neubau soll der Staat finanzieren. Sobald Tepco sein Basislager auf das Gelände des Kernkraftwerks und in die Sperrzone verlegt hat, sollen die Umbauarbeiten beginnen. Spätestens Anfang des nächsten Jahres will sich der Kraftwerkbetreiber ganz aus dem J-Village zurückgezogen haben. Vor radioaktiver Strahlung brauche kein Sportler Angst zu haben, betonen die Planer. Seit der Dekontaminierung werden hier offiziell durchschnittlich 0,11 bis 0,22 Mikrosievert gemessen. Wer ein Jahr dort lebt, bekommt nach Rechnung der Planer weniger Strahlung ab als die international als unbedenklich geltende Höchstgrenze von einem Millisievert. Allerdings gibt es Gegenden mit weit höherer Strahlung, zum Beispiel dort, wo lange Zeit hochgradig strahlender Müll gelagert worden war.
Bis das Städtchen Naraha, in dem das J-Village zum Großteil liegt, wieder attraktiv für Gäste wird, ist es noch ein langer Weg. Fast vier Jahre, nachdem das größtenteils in der Sperrzone liegende Städtchen vollständig evakuiert wurde, ist Naraha noch immer eine Geisterstadt. In dem ebenfalls menschenleeren Nachbarstädtchen soll in Kürze mit dem Bau des Zwischenlagers für Atommüll begonnen werden.
Eine Handvoll Beamter bereitet jetzt die Rückkehr der 7500 Bewohner vor. Doch noch fehlt es an grundlegender Infrastruktur. Viele Häuser sind rattenverseucht. Die Beamten berichten von Wildschweinen, die bei Einbruch der Dunkelheit durch die Straßen ziehen. »Es wundert mich nicht, dass die Leute Angst haben, nach Hause zu kommen«, sagte der 59-jährige Stadtbeamte Hiroshi Aoki der Zeitung »Asahi«. Dennoch planen Aoki und seine Kollegen die Massenrückkehr bereits für diesen Frühling.
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