Obama hat Verständnis für SYRIZA-Kurs
Tsipras: Keine Gedanken an Russland-Kredit / Aus für die Troika? Juncker sucht Alternative / Bericht: Geldgeber-Gremium soll offenbar ersetzt werden - Unionsfraktionschef: Das geht nicht / Riexinger fordert Athen-Besuch Merkels
Update 15.45 Uhr: Der linke Europaabgeordnete Fabio Di Masi hat davor gewarnt, Änderungen lediglich an der Konstruktion oder dem Namen der umstrittenen Troika vorzunehmen. »Nicht nur die Troika ist abzuschaffen, auch die dumme Kürzungspolitik«, sagte der am Montag. »Eine EU-rechtskonforme Legalisierung der Troika-Politik - etwa im Rahmen einer Task Force der EU-Kommission - ist unzureichend.« Auch eine Trennung vom Internationalen Währungsfonds mache »noch keinen Frühling«, so Di masi, der darauf hinwies, dass es der IWF gewesen sei, der »die Kürzungspolitik kritisiert und die Notwendigkeit eines Schuldenschnitts betont«. Di Masi kritisierte erneut die Euro-Rettung, diese sei eine Bankenrettung gewesen, »die auch den deutschen Steuerzahlern unnötige Kosten aufgebürdet hat. Wir brauchen einen Stopp der Kürzungsdiktate bei Staatsausgaben, Löhnen und Renten sowie ein echtes öffentliches Investitionsprogramm von zwei bis fünf Prozent des EU BIP jährlich, um Wachstum anzuschieben.«
Update 14.30 Uhr: Die EU-Kommission ist offen für eine Veränderung der von Griechenland abgelehnten Gläubiger-Troika. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker habe schon vor seinem Amtsantritt gegenüber dem Europaparlament erklärt, dass er sich »in Zukunft« vorstellen könne, die Troika durch ein »besser demokratisch legitimiertes« Gremium zu ersetzen, sagte ein EU-Kommissionssprecher am Montag in Brüssel. Konkrete Pläne für eine »neue Struktur« gibt es demnach aber bisher nicht. Der Sprecher bestätigte gleichzeitig, dass Juncker am Mittwoch erstmals den neuen griechischen Regierungschef Alexis Tsipras zu Gesprächen in Brüssel treffen wird. Mit Blick auf die Zukunft des Hilfsprogramms für Griechenland wolle die EU-Kommission abwarten, welchen Standpunkt Tsipras bei den Gesprächen am Mittwoch vertrete, sagte der Kommissionssprecher weiter. Es sei deshalb »verfrüht«, über den Ausgang zu spekulieren. Ausgangspunkt sei Tsipras' Zusicherung vom Samstag, dass eine neue Übereinkunft die bisher eingegangenen Verpflichtungen nicht in Frage stellen werde. Der Sprecher verwies drauf, dass für Änderungen der geltenden Vereinbarungen die Zustimmung aller anderen 18 Euro-Staaten nötig ist. Erste Gespräche mit der Kommission hat es bereits am Wochenende gegeben. Am Samstag telefonierte Juncker mit Tsipras, wie der Sprecher sagte. EU-Währungskommissar Pierre Moscovici habe zudem am Sonntag in Paris den griechischen Finanzminister Giannis Varoufakis getroffen. Es sei zu »einem ersten, konstruktiven Meinungsaustausch« gekommen. Das Gespräch habe etwa eine Stunde gedauert.
Update 13.40 Uhr: US-Präsident Barack Obama hat Verständnis für die Abkehr der neuen griechischen Regierung vom umstrittenen Sparkurs mit seinen weitreichenden sozialen Folgen gezeigt. »Sie können Länder, die sich inmitten einer Depression befinden, nicht immer weiter ausquetschen«, sagte Obama gegenüber CNN. Bei einer Wirtschaft, die sich »im freien Fall« befinde, brauche es vor allem eine Wachstumsstrategie. Nur so könne ein Land seine Schuldenlast reduzieren. Obama räumte ein, dass Strukturreformen in Griechenland bitter nötig seien. Angesichts des rapide sinkenden Lebensstandards der Menschen seien diese aber schwer umzusetzen. Er hoffe, dass Griechenland in der Eurozone bleiben könne, sagte der US-Präsident. Dafür seien aber »Kompromisse auf allen Seiten« nötig.
Update 13.30 Uhr: Die Bundesregierung will an der so genannten Troika zur Kontrolle der Spardiktate und Hilfsprogramme in Krisenstaaten der Eurozone festhalten. Es gebe »keinen Anlass, von diesem bewährten Mechanismus abzuweichen«, sagte die stellvertretende Regierungssprecherin Christiane Wirtz am Montag in Berlin. Es seien auch keine Anhaltspunkte bekannt, die EU-Kommission könne davon Abstand nehmen. Das Finanzministerium betonte, Kontrollen wie von der Troika aus Kommission, Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfonds seien etwa im Vertrag zum Schutzschirm ESM verankert. Dies sei nicht einseitig zu ändern, erläuterte eine Sprecherin. Der stellvertretender Vorsitzende des Wirtschafts- und Währungsausschusses im EU-Parlament, der CSU-Politiker Markus Ferber erklärte die Ankündigung der neuen Regierung in Griechenlands, in Zukunft nicht mehr mit der Troika zusammenzuarbeiten, für voreilig. »Ich war nicht schockiert, das ist ja im Wahlkampf angekündigt worden. Die Frage ist, wer langfristig einen Schock haben wird, die Troika oder Griechenland«, sagte Ferber im Sender phoenix. »Meine Prognose ist, dass Griechenland den Schock haben wird und deswegen wird sich da manches wieder normalisieren, was jetzt in der ersten Woche noch ganz anders formuliert wurde.« EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker plant einem Zeitungsbericht zufolge nun die Abschaffung des Gremiums. »Wir müssen jetzt schnell eine Alternative dafür finden«, zitierte das »Handelsblatt« aus Kreisen der EU-Kommission.
Update 13 Uhr: Der griechische Finanzminister Giannis Varoufakis hat die Pläne der neuen linksgeführten Regierung verteidigt, geplante Privatisierungen von Staatseigentum auf Eis zu legen. Es sei nicht sehr schlau, das Tafelsilber des Staats durch weitere Privatisierungen zu verscherbeln, sagte Varoufakis in einem am Montag in der Online-Ausgabe der Zeitung »Le Monde« veröffentlichten Interview. In einer deflationären Phase sei es klüger, Staatseigentum weiter zu entwickeln und ihren Wert zu steigern. Die neu gewählte Regierung unter Ministerpräsident Alexis Tsipras hatte nach ihrem Amtsantritt in der vergangenen Woche angekündigt, die Privatisierung des Hafens von Piräus in Athen zu stoppen. Das chinesische Konglomerat Cosco wurde bereits kontaktiert, um über einen möglichen Rückkauf seiner Anteile an dem größten griechischen Hafen zu verhandeln. Varoufakis machte in dem Interview aber auch deutlich, dass bereits abgeschlossene Privatisierungen nicht rückgängig gemacht würden. Investitionen wie die von Cosco seien »sehr positiv für Griechenland«, sagte er »Le Monde«. Ausländische Investitionen, »vor allem chinesische«, seien ein wichtiger Hoffnungsträger für Strukturreformen und die Erhöhung der griechischen Wettbewerbsfähigkeit.
Update 12.50Uhr: Griechenland rechnet nach Worten des neuen griechischen Regierungschef Alexis Tsipras nicht mit einem Kredit aus Russland. Auf die Frage, ob Griechenland einen Kredit aus Russland erwarte oder einen beantragen würde, sagte Tsipras am Montag in Nikosia: »Es gibt im Moment keinen solchen Gedanken.« Griechenlands »einziges und ausschließliches Ziel« sei, die Verhandlungen mit seinen Partnern in der EU erfolgreich abzuschließen, sagte Tsipras nach einem Treffen mit dem zyprischen Präsidenten Nikos Anastasiades. Was die Krise in der Ukraine betrifft, seien sowohl Zypern als auch Griechenland bereit, für den Frieden zu vermitteln, erklärte Tsipras. Athen und Nikosia wollten ihre guten Beziehungen zu Moskau nutzen, »damit eine notwendige Brücke zwischen Europa und Russland geschlagen wird«, fügte Tsipras hinzu. Weiter sagte er, die Verwandlung des Krieges in der Ostukraine in einen Wirtschaftskrieg werde »kein positives Ergebnis für die Völker Europas haben«.
Bericht: Geldgeber-Gremium soll offenbar ersetzt werden
Berlin. Eine Woche nach Amtsantritt startet der neue griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras am Montag auf Zypern eine Rundreise durch mehrere Länder, bei der er die Vorschläge von SYRIZA zu einer alternativen Lösung der griechischen Schuldenkrise präsentieren will. Im Mittelpunkt des Treffens mit dem zyprischen Präsidenten Nikos Anastasiades werden zudem die Bemühungen zur Überwindung der Zypern-Frage stehen. Tsipras reist am Dienstag und Mittwoch nach Rom, Paris und Brüssel.
Die SYRIZA-Regierung versucht derzeit, eine Abkehr vom umstrittenen und mit schwerwiegenden sozialen Folgen verbundenen Spardiktat der EU durchzusetzen. Jüngst hatte Athen die Bereitschaft zum Verzicht auf die für Ende Februar erwartete Kredittranche über sieben Milliarden Euro erklärt.
Athen hat die Spar-Troika aus Kontrolleuren der Geldgeber von EU, Internationalem Währungsfonds und Europäischer Zentralbank vor die Tür gesetzt - und damit womöglich auch das Schicksal der umstrittenen Konstruktion besiegelt. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker plant einem Zeitungsbericht zufolge nun die Abschaffung des Gremiums. »Wir müssen jetzt schnell eine Alternative dafür finden«, zitierte das »Handelsblatt« aus Kreisen der EU-Kommission.
Am Freitag hatte Eurogruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem zu Varoufakis nach der Ankündigung, die Kooperation mit dem Gremium einzustellen, gesagt: »You just killed the Troika«. Worauf der griechische Finanzminister mit dem Wort »Wow« reagiert haben soll.
Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) wandte sich im »Bericht aus Berlin« der ARD gegen eine Abschaffung der Troika. »Das dürfte nicht gehen«, sagte er mit Verweis auf vom Bundesverfassungsgericht gezogene »enge Grenzen«. Er forderte ein Festhalten am Sparkurs. Nach Informationen der »Rheinischen Post« aus EU-Kreisen wird die Eurogruppe der Finanzminister offenbar schon am Freitag (6. Februar) zu einer Sondersitzung zusammenkommen.
Finanzminister Giannis Varoufakis sagte am Sonntagabend in Paris, Athen wolle bis Ende Mai eine Lösung der finanziellen Situation Griechenlands finden. Bis dahin werde sein Land um keine neuen Kredite bitten. Allerdings bestehen Zweifel, ob die Regierung in Athen ihre Ausgaben solange finanzieren kann. Varoufakis warb für die griechische Position und bat um mehr Zeit zur Beilegung der Schuldenkrise. »Obwohl es unterschiedliche Perspektiven gibt, bin ich sehr zuversichtlich, dass wir bald eine für beide Seiten zufriedenstellende Vereinbarung treffen können, für Griechenland und für Europa als Ganzes«, sagte der Regierungschef und SYRIZA-Vorsitzende Alexis Tsipras.
Berlin steht bisher nicht auf dem Reiseplan Tsipras'. Varoufakis kündigte in Paris jedoch an, er wolle aber so bald wie möglich mit Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) in Berlin zusammenkommen. Einen Termin nannte er jedoch nicht. Dem Finanzministerium in Berlin liegt nach Angaben eines Ministeriumssprechers noch keine Anfrage zu einer solchen Visite vor. Varoufakis will am Montag und Dienstag seinen britischen und seinen italienischen Amtskollegen treffen. Tsipras will ebenfalls nach Italien, nach Zypern, Frankreich und zur EU-Kommission reisen.
Derweil hat der Vorsitzende der deutschen Linkspartei, Bernd Riexinger, die Bundeskanzlerin aufgefordert, auf Griechenland zuzugehen. Angela Merkel müsse »schnellstmöglich nach Athen fahren. Ich bin mir sicher, dass eine Einladung kommt, wenn es aus Berlin die richtigen Signale gibt«, sagte Riexinger der »Rheinischen Post«. Riexinger kritisierte das »Kriegsgeheul« aus der CDU, entsprechende Äußerungen in Richtung Griechenland seien »bestenfalls dümmlich«, so Riexinger.
Bayerns Finanzminister Markus Söder (CSU) wandte sich erneut gegen die neue Regierung in Griechenland. Man dürfe sich nicht von der SYRIZA-Koalition in Athen unter Druck setzen lassen, sagte Söder der »Welt«. »Beim Euro darf es keine Aufweichung geben.«
Der stellvertretende griechische Verwaltungsminister Giorgos Katrougalos hat Deutschland vor den Verlusten durch einen Bankrott Griechenlands gewarnt. Katrougalos, der dem Linksbündnis Syriza angehört, sagte der »Bild«-Zeitung vom Montag, sollte Griechenland pleitegehen, bekomme »niemand etwas wieder, auch nicht die Deutschen«. Daher müsse ein Kompromiss gefunden werden, damit es Griechenland wieder besser gehe und Deutschland seine Kredite zurückbekomme. Eine Einigung sei »entscheidend, denn die Stabilität der Eurozone ist unser gemeinsames Interesse«, sagte Katrougalos der Zeitung. Die neue griechische Regierung habe die »dringende Aufgabe«, etwas für die notleidenden Menschen im Land zu tun. Arbeitslosigkeit und Armut seien derzeit »das größte Problem in Griechenland«. Der Vize-Minister sprach sich zudem für eine »Neuverteilung der Schulden« Griechenlands aus. So müsse die Europäische Zentralbank (EZB) diese »Neuverteilung initiieren und damit beginnen, Geld zu drucken«. Agenturen/nd
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