Deutsche Hilfe
Tom Strohschneider über die deutsche Griechenland-Debatte und die publizistischen Verteidiger der Interessen von Anderen
Die deutsche Debatte über den mit Verve beschritten Kurs der SYRIZA-Regierung ist ein erhellendes Lehrstück über den Zustand des politischen Bewusstseins hierzulande. »Am Donnerstag traut sich Varoufakis nach Berlin«, titelt ein Blatt; »noch traut sich Tsipras nicht nach Berlin«, schlagzeilt ein öffentlich finanzierter Sender.
Solche Überschriften »traut« man sich, wenn man meint, das »deutsche Interesse« müsse publizistisch »verteidigt« werden, weil es auch das Interesse der Leute sei, die hier wohnen. Die glauben leider mehrheitlich daran – auch, weil sie im Glauben gelassen werden, »die Deutschen« hätten als eine Art Gesamtkollektiv nur und ausschließlich allergrößte Hilfe an Athen geleistet. Weshalb nun auch gen Griechenland gerufen wird, die neue SYRIZA-Regierung dürfe die Solidarität der Deutschen nicht missbrauchen.
Nun ist unumstritten, dass Milliarden an Griechenland überwiesen wurden – doch die Gegenrechnung wird selten aufgemacht. Im Zuge der »Rettung« des Landes ging es zuvörderst darum, die Gläubiger vor Schaden zu bewahren, also europäische Banken, deutsches Kapital. Zudem wurde die Eurozone stabilisiert, was dem hiesigen Export zugute kam.
Mehr noch: Die Bonität Deutschlands stieg im Verhältnis zum Sturzflug der Kreditwürdigkeit von Griechenland und anderer Krisenstaaten, was zu milliardenschwerer Zinsentlastung führte. Deutschland konnte zudem Geld billig aufnehmen, um es teurer an Athen als Notkredit zu verleihen. Und: Von griechischer Seite werden die offenen deutschen Kriegsschulden mit elf Milliarden Euro beziffert.
Die Liste könnte noch länger sein, auf ihr würde dann der Hinweis stehen, dass Deutschland, aus dem nun immer nach Vertragstreue gerufen wird, Vereinbarungen selbst durchaus bricht, wenn es im eigenen Interesse ist - bei den Maastrichtkriterien war es so. Und gern vergessen wird hierzulande auch, dass die Bundesrepublik 1953 von einem enormen Teil ihrer Schulden befreit wurde, was für das dann anbrechende »Wirtschaftswunder« eine Voraussetzung war.
Die Frage der Solidarität ließe sich also auch anders stellen: Wann und mit welchem Angebot traut sich Merkel nach Athen?
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