Lauter Desaster
Silvia Ottow hält die Benotung von Pflegeheimen im Vergleich mit der ganzen Pflegepolitik der CDU für das kleinere Desaster
Die ungefähr 13 000 Pflegeheime mit ihren knapp 800 000 Bewohnerinnen spielen in der Öffentlichkeit nur eine Rolle, wenn man eine fixierte Oma, einen dehydrierten Bewohner oder einen bösen Keim entdeckt. Dann werden jene angehört, die seit Jahrzehnten die Heimunterbringung als untaugliches Geschäftsmodell kritisieren, dann werden Vorschläge gemacht, Reformen angekündigt und es heißt »oh« und »ah« und »ach«.
Doch das ganze Entsetzen ist für gewöhnlich schnell vergessen. Sonst müssten sich ja all die Betroffenheitsheuchler daran erinnern, wie es war, als der Pflege-TÜV eingeführt wurde und selbstverständlich die Betreiber die Feder bei der Aufstellung der Kriterien führten. So konnten sie dafür sorgen, dass ein übersichtlicher Speiseplan ähnlichen Stellenwert bekam wie die medizinische Wundversorgung und in der Folge fast alle Heime eine gute Benotung - auch wenn dies die Realität verhöhnt. Schon damals wurde das kritisiert und dennoch über Jahre zugelassen. Es gehört also nicht viel dazu, wenn ein Experte wie Jens Spahn von der CDU von einem Desaster schwafelt, als wäre er der Retter aller Pflegebedürftigen. Dabei verschleppen er und seine Parteikollegen eine wirkliche Pflegereform seit Jahren ganz bewusst. Das ist das eigentliche Desaster.
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