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Prävention soll Wohnungslosigkeit verhindern

Auf einer Konferenz wurden Maßnahmen diskutiert, damit Menschen nicht so oft in Notunterkünften landen

  • Tim Zülch
  • Lesedauer: 3 Min.
Seit Jahren steigt die Zahl der Menschen, die wohnungslos werden. Trotz guter Zusammenarbeit sind Sozialverbände und Politik oft machtlos. Prävention soll die Menschen künftig besser schützen.

Verlässliche und aktuelle Zahlen sind in Bezug auf Wohnungslosigkeit schwer zu bekommen. Es gibt meist nur Schätzungen. Eine davon: Die Zahl der wohnungslosen Menschen stieg von 2008 bis 2012 bundesweit um 25 Prozent auf 284 000 Personen. Auch in Berlin weisen alle Indikatoren auf einen deutlichen Anstieg hin. So ist die Zahl der Wohnungslosen, die von den Bezirken in Obdachlosenunterkünften und Pensionen untergebracht wurden zwischen 2010 und 2012, von etwa 4600 auf rund 6300 angestiegen.

Silke Freialdenhofen vom Bezirksamt in Treptow-Köpenick hat die Zahlen für ihren Bezirk erfasst und stellte sie jüngst auf einer Konferenz zur Vermeidung von Wohnungslosigkeit vor. So sei die Zahl der Wohnungsnotfälle in fünf Jahren von 400 auf rund 500 Fälle gestiegen. Vor allem aber seien Betroffene länger wohnungslos. Mittlerweile seien in Treptow-Köpenick 131 Personen länger als drei Jahre wohnungslos, 2008 waren es noch 51 Personen. Hintergrund dieser Entwicklung seien vor allem die in Berlin stark steigenden Mieten. Silke Freialdenhofen: »Wenn Menschen bei uns obdachlos werden, sind die Gründe hauptsächlich Mietrückstände. Es ist kaum angemessener Wohnraum vorhanden.«

Für Wibke Werner vom Berliner Mieterverein ist diese Entwicklung nicht verwunderlich. Während sich einerseits die Zahl der Sozialwohnungen in den letzten zehn Jahren um ein Drittel verringert habe, zögen andererseits die Mieten stark an. Hinzu komme eine zunehmend vermieterfreundliche Rechtsprechung im Bezug auf die Umlage von Modernisierungskosten und auf Eigenbedarfskündigungen, so Werner.

Eine Art »Wildwestmentalität« in diesem Bereich sieht auch Uwe Lehmann von der Senatverwaltung für Gesundheit und Soziales. So lägen ihm Berichte vor, dass Wohnungen der Behindertenhilfe in Neukölln vom Vermieter gekündigt wurden mit dem Argument, dass man die Wohnung danach teuer wiedervermieten könne. Mittlerweile müssten die Zuständigen in den Bezirken Obdachlose für Tagessätze von bis zu 50 Euro unterbringen, weil keine günstigeren Unterkunftsmöglichkeiten vorhanden seien.

Doch was tun angesichts der schlechten Situation? In einem Punkt waren sich die Teilnehmer der Konferenz einig: Je früher Menschen Hilfen angeboten werden, desto besser. »Jeder Euro, der in Prävention gesteckt wird, lohnt sich fünf- bis siebenfach gegenüber Hilfen nach Eintritt der Wohnungslosigkeit«, konstatierte Achim Christophersen, der Sozialarbeiter im Bezirksamt Tempelhof-Schöneberg ist. Nach Ansicht Christophersens müssen auch die Jobcenter Betroffene besser und schneller mit Mietschuldenübernahmen unterstützen. Einerseits würden die Jobcenter fast nur Darlehen auszahlen, andererseits gäbe es große Unterschiede zwischen den Bezirken. Während Neukölln 90 Prozent der Anträge auf Mietschuldenübernahme ablehne, seien es beispielsweise in Tempelhof-Schöneberg 40 Prozent Ablehnungen.

Dass insgesamt Handlungsbedarf bestehe, sah auch Uwe Lehmann von der Senatsverwaltung und sagte rasches Handeln zu. Noch dieses Jahr wolle er einen Entwurf für neue Leitlinien der Berliner Wohnungslosenpolitik vorlegen, deren Neufassung bereits seit 14 Jahren aussteht.

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