Pyrrhussieg in Paris
Olaf Standke zum Misstrauensvotum in der französischen Nationalversammlung
Das Kalkül von Manuel Valls ist aufgegangen: Der Premierminister hat am Donnerstagabend in Paris nicht nur den von der konservativen Opposition eingebrachten Misstrauensantrag überstanden. Mit der Mehrheit in der Nationalversammlung wurde so das umstrittene »Reformgesetz« angenommen, das auch die Ausweitung der verkaufsoffenen Sonntage und Liberalisierungsmaßnahmen vom Fernbusverkehr bis zur Arbeitsgerichtsbarkeit vorsieht. Der Regierungschef nutzte ein in der Verfassung verankertes Junktim, um die Abstimmung über das Gesetz selbst zu umgehen. Denn dagegen gibt es auch in den Reihen der Sozialistischen Partei heftigen Widerstand; vor allem die Ausweitung der Sonntagsarbeit ist dem linken Flügel ein Dorn im Auge.
Da stellt sich die Frage, ob das letztlich nicht nur ein Pyrrhussieg war. Valls will Blockaden lösen, die für das schwache Wirtschaftswachstum verantwortlich seien, und zugleich ein Signal der Reformbereitschaft an die EU-Kommission senden. Seinen Kritikern war dieses Mal nur der Preis einer Ablehnung zu hoch: der Sturz der eigenen Regierung. Sie haben jedoch schon angekündigt, ihre Rolle als innere Opposition gegen einen sozialliberalen Kurs weiter zu schärfen. Aber auch der rechte Front National wird profitieren von dieser Art Staatstheater, das sich nach der absehbaren Ablehnung des Gesetzes im Senat schon bald in der Nationalversammlung wiederholen dürfte.
In der neuen App »nd.Digital« lesen Sie alle Ausgaben des »nd« ganz bequem online und offline. Die App ist frei von Werbung und ohne Tracking. Sie ist verfügbar für iOS (zum Download im Apple-Store), Android (zum Download im Google Play Store) und als Web-Version im Browser (zur Web-Version). Weitere Hinweise und FAQs auf dasnd.de/digital.
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.
Vielen Dank!