Severin Freund fliegt zu WM-Silber
Nur 20 Zentimeter fehlen zum Sieg, Carina Vogt gewinnt Gold
Es sind Feiertage für das deutsche Skispringen bei den WM in Falun, die schon jetzt die erfolgreichsten Titelkämpfe für die Adler seit 14 Jahren sind. Aber gejubelt wird darüber höchstens gebremst. Ein Bier gönnte sich Severin Freund nach seinem Silbermedaillengewinn, der ersten WM-Einzelmedaille seiner Karriere. Und die gerade frischgekrönte Weltmeisterin Carina Vogt nippte zur Feier ihres historischen Triumphs gerade mal kurz an einem Sektglas. Beides hatte natürlich etwas mit dem Mixed-Wettbewerb am Sonntagabend (nach Red.-Schluss) zu tun, aber auch mit dem Charakter der Protagonisten.
Deutschland hat über ein Jahrzehnt nach den Triumphen von Martin Schmitt und Sven Hannawald endlich wieder zwei Siegspringer, die Erfolge in Serie feiern. Aber im Gegensatz zur »Skisprung-Boygroup« von damals, die Teenager zu Plakaten an der Schanze mit Aufschriften wie »Martin, ich will ein Kind von Dir« animierte, sind Carina Vogt und Severin Freund eher stille Vorflieger. Keine Vorzeigefiguren für den Boulevard wie Mädchenschwarm Hannawald, der einst bis zu 17 Millionen Zuschauer vor die deutschen Fernsehapparate lockte.
Skisprung-Bundestrainer Werner Schuster beschreibt Teamkapitän Freund als »Mann der kleinen Schritte«, nicht der großen Szenen. Einen, der nicht mit einem außergewöhnlichen Talent gesegnet ist, und sich alles hart erarbeiten muss.
In der Öffentlichkeit war er schon als »ewiger Vierter« abgeschrieben, ehe er in Sotschi vor einem Jahr als Schlussspringer nervenstark den Team-Olympiasieg perfekt machte. »Das hat die Bremsen bei mir gelöst«, sagt Freund. Danach folgten der WM-Titel im Skifliegen und neun Weltcup-Einzelsiege binnen eines Jahres. Keine Frage, Severin Freund ist der seit Schmitt und Hannawald lange gesuchte deutsche Seriensieger im Skispringen. Aber dass er weiter keiner ist, dem alles zufällt, zeigte am Samstag die WM-Einzelentscheidung. Um nur 0,4 Punkte oder umgerechnet 20 Zentimeter verpasste Freund den ersten deutschen WM-Einzeltitel seit Martin Schmitts Triumph im Jahr 2001.
»Das passt zu seiner Karriere«, sagt Schuster. »Bei der letzten WM ist er Vierter von der Normalschanze geworden und hat seine Schlüsse daraus gezogen. Zwei Jahre später hat er Silber gewonnen und ist sicher der universellste Springer im Zirkus.« Trotzdem ist der Student einer der zurückhaltendsten Flieger im Feld. Ein absoluter Teamplayer, der auch nach seinem Silbergewinn twitterte, dass nur »ein starkes Team diesen Erfolg möglich gemacht hat«. Er schätzt mit seiner Freundin die Anonymität der Großstadt München und lässt sich durch die Triumphe nicht verbiegen: »Du wirst ja durch solche Erfolge kein anderer Mensch, ich zumindest nicht«, sagt er.
Auch Carina Vogt kann trotz des historischen Gold-Doubles aus Olympiasieg und WM-Titel mit ihrer öffentlichen Berühmtheit nicht viel anfangen. Tumultartige Szenen wie beim Empfang nach den Winterspielen in ihrem Wohnort Waldstetten und im nahen Schwäbisch Gmünd befremden sie nur. »Es war schon krass. Vorher war Frauen-Skispringen weitgehend unbekannt, dann gab es einen Riesenhype«, erzählt sie. »Die Wahrnehmung in der Öffentlichkeit ist halt von 0 auf 100 hochgegangen. Das hat es auch anstrengend für mich gemacht. Aber ich bleibe bei mir und mache den Hype einfach nicht mit.«
Dass sie teamintern manchmal auch die »Spaßkanone« gibt, wie Frauen-Bundestrainer Andreas Bauer erzählt, kann man sich nur schwer vorstellen. Männer-Chefcoach lobt stattdessen eine Charaktereigenschaft, die sie mit ihrem Kollegen Severin Freund gemeinsam hat: »Carina Vogt ist sehr beeindruckend. Sie ist die Ruhe in Person.«
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