Ignoranz statt Solidarität
Silvia Ottow über Masernimpfung
Wieder einmal wird über eine Impfpflicht diskutiert, der Anlass ist schlimm genug. Wieder einmal wird sie nicht kommen. Das kann man sich jetzt schon an fünf Fingern abzählen. Was aber mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit passieren wird, sind neue Masernausbrüche mit schlimmen Folgen. In einer modernen Wissensgesellschaft, in der man zwar genug Möglichkeiten hat, sich darüber zu informieren, wie eine Impfung gegen den gefürchteten Erreger wirkt, oder wie es Länder wie Finnland oder die USA schafften, die gefährliche Krankheit fast auszumerzen, hält sich eine diffuse Angst vor möglichen Impfschäden und bringt immer wieder Menschen in Lebensgefahr. Leider auch jene, bei denen Vernunft über Verfolgungswahn siegt und die ihren Kindern mit zwei Spritzen eine strapaziöse und folgenschwere Krankheit ersparen. Und darüber hinaus natürlich jene, die sich aus medizinischen Gründen nicht impfen lassen können, in einer Gemeinschaft, wo die meisten Menschen immunisiert sind, aber auch nicht angesteckt werden könnten. Wenn die Mitmenschen etwas solidarischer wären.
Ob man Solidarität mit einer Beratungspflicht herbeiführen kann, sei dahingestellt. In Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern hat man es übrigens geschafft: 95 Prozent der Schulanfänger haben die geforderten zwei Masernimpfungen. Vielleicht wirkt noch ein gewohnter Mechanismus aus der DDR, vielleicht ist man hier einfach realistischer und nicht so ignorant. Man könnte das ja mal erforschen.
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