Werbung

Sinnsuchende in einer kalten Welt

Junge Dramatiker in Potsdam und Berlin

  • Volker Trauth
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Zahl der Präsentationsformen neuer deutscher Dramatik hat in den letzten Jahren zugenommen. Zwei Veranstaltungsreihen sind in diesem Monat im Hans-Otto-Theater Potsdam und am Deutschen Theater Berlin hinzugekommen. In Potsdam wurden drei Inszenierungen von nur unwesentlich gekürzten Texten gezeigt - gespielt von Schauspielern des Hans-Otto-Theaters und von Studenten der Berliner Universität der Künste. Die Veranstaltung im Deutschen Theater lief im sogenannten Stationenbetrieb ab. Auf vier verschiedenen Routen gelangten die Zuschauer zu vier verschiedenen Spielorten und sahen dort Ausschnitte bzw. Kurzfassungen von neuen bzw. bereits uraufgeführten dramatischen Texten; darunter die Kurzform einer Theaterfassung von Laura Schützsacks Jugendroman «Und auch so bitter kalt». Gelesen und gespielt wurden außerdem Ausschnitte von so bekannten Stücken wie Philipp Löhles «Wir sind keine Barbaren» oder von Nis-Momme Stockmanns «Die Wiederauferstehung der Welt meiner Eltern in mir» sowie «Monologe» von Wolfram Lotz.

Von Philipp Löhles Stück über die zunehmende Fremdenfeindlichkeit wurde lediglich ein «Heimatchor» ausgewählt, in dem die wohlanständigen Zeitgenossen ihre Gesetzes- und Prinzipientreue behaupten. Von den «Monologen» des Wolfram Lotz fiel die Wahl auf den Monolog des Designers Mooshammer, der sich mit großer Emphase darüber beklagt, in der deutschen Öffentlichkeit nur als schwuler Modezar mit Vorliebe für ein putziges Hündchen wahrgenommen zu werden.

Die 25- bis 30-Jährigen haben unbequeme Fragen an die Gesellschaft, sehen durchaus keine gesegnete Zukunft vor sich. Sie erzählen von zerstörten Familien, vom Zerbrechen von Werten und Gewissheiten und von der Liebe zu Tieren, deren Warmherzigkeit und Glaubwürdigkeit die der menschlichen Zeitgenossen übertrifft. In Uta Bierbaums «Die Zärtlichkeit der Hunde» wird die Treue der Hunde zum Gegenpol scheiternder menschlicher Partnerschaftsbemühungen. Ein junger Mann mit dem seltsamen Beruf des Abdeckers entführt nachts Hunde, um deren Wärme zu spüren. In Stefan Wipplingers Stück «HoseFahradFrau» geht es um das sich wandelnde Verhältnis von Haben und Sein. Ein Fahrrad und eine rote Hose wechseln den Besitzer und ein junges Mädchen, das zur Mutterschaft aus biologischen Gründen nicht fähig ist, bittet eine Freundin, Leihmutter zu werden und den Samen ihres Partners auszutragen. Nach einem poetischen Schauplatz sucht Elsa-Sophie Jach in ihrem Stück «Nieves». In eine alltägliche Grundsituation - das Zusammenleben verschiedener Generationen - dringt eine seltsam kostümierte junge Frau, die sich als «Schneekriegerin und »Rachegöttin« ausgibt. Was sie vorfindet ist kälter als Schnee. Die Großmutter ist an den Rollstuhl gefesselt und lässt sich von ihrem Mann pflegen, nicht ohne ihn ständig wissen zu lassen, dass sie sich vor ihm ekelt. Eine verrottete Brücke ist auch der Schauplatz von »Und auch so bitterkalt« in den Kammerspielen des Deutschen Theaters. Im Zentrum dieses Textes sind zwei Schwestern. Auch sie unberaten von den Eltern, von denen sie behaupten, sie würden »genauso verloren« wie sie umherirren. Sie verscheuchen die bösen Geister, müssen jedoch erleben, wie ein junger Mann vergeblich versucht, die baufällige Brücke zu überqueren.

Freilich lag bei diesen Veranstaltungen der Hauptakzent auf der Vorstellung neuer Texte, in Erinnerung bleiben aber auch gelungene Momente künstlerischer Umsetzung - so die bedrückende szenische Atmosphäre giftiger Kälte und lähmender Sprachlosigkeit, die der junge Regisseur Remo Philipp zusammen mit den Potsdamer Schauspielern in seiner Inszenierung von »Nieves« ins Bild zu zwingen vermochte.

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.