Akute Geldsorgen in Athen
Griechische Regierung hofft auf Treffen der Eurogruppe am Montag
»One last breath« (ein letzter Atemzug) - dieses Lied der Sängerin Maria-Elena Kiriakou wurde am Mittwochabend zum griechischen Beitrag für den diesjährigen Eurovision Song Contest gekürt. Die dramatische Ballade taugt durchaus als Parabel auf die schwierige finanzielle Lage des Landes, das dringend Luft zum Atmen benötigt: Wie die »Süddeutsche Zeitung« am Freitag unter Berufung auf Athener Regierungskreise berichtete, habe der Staat im Februar nicht alle öffentlichen Bediensteten bezahlen können. So hätten etwa Hilfslehrer kein Gehalt bekommen. Wie die Zeitung weiter berichtete, habe Premier Alexis Tsipras (SYRIZA) EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker um ein kurzfristiges Treffen am Freitag gebeten, was dieser aus Termingründen abgelehnt habe.
Was an solchen Meldungen dran ist, lässt sich schwer sagen, denn viele dubiose Gerüchte machen derzeit die Runde. Sicher ist jedoch, dass Athen akute Finanzprobleme hat. Griechischen Medien zufolge benötigt der Staat monatlich rund 4,5 Milliarden Euro, ein Drittel davon für die Bezahlung von Beamtengehältern und Pensionen. Die Liquiditätslage hat sich aber zugespitzt, seit die Europäische Zentralbank (EZB) kurz nach der Regierungsübernahme durch das Linksbündnis SYRIZA den Aufkauf griechischer Staatsanleihen beendete.
Ein weiterer Grund für die Liquiditätsprobleme sind die stark zurückgegangenen Steuereinnahmen des Staates. Angeblich verweigern viele Griechen, vertrauend auf Steuersenkungsversprechen von SYRIZA im Wahlkampf, fällige Zahlungen an den Fiskus. Um möglichst schnell Geld in die Kassen zu bekommen, hat Athen säumigen Steuerzahlern jetzt einen Deal vorgeschlagen: Wer bis Ende März alte Schulden beim Fiskus begleicht, braucht keine Geldstrafen zu zahlen, wie Finanzstaatssekretärin Nadia Valavani (SYRIZA) am Mittwoch im TV-Sender Mega ankündigte. Eine entsprechende Regelung solle am kommenden Dienstag vom Parlament beschlossen werden.
Der griechische Staat begleicht seine Verbindlichkeiten indes pünktlich: So wurden am Freitag an den Internationalen Währungsfonds (IWF) Kredite in Höhe von 310 Millionen Euro zurückgezahlt. Ähnlich hohe Summen werden aber ebenfalls am 13., 16. und 20. März fällig. Eine Aussetzung hätte vermutlich zur Folge, dass dies an den Finanzmärkten als Zahlungsausfall gewertet werden würde - Griechenland wäre komplett von frischem Geld abgeschnitten.
Seit dem Ausschluss von Anleihekäufen der EZB hat Athen bereits Probleme, die Kapitalmärkte anzuzapfen. Am Mittwoch konnte sich der Staat zwar 1,138 Milliarden Euro über die Ausgabe sechs Monate laufender Anleihen verschafft, musste aber wegen des geringen Interesses relativ hohe Zinsen bieten. Einen kleinen Lichtblick brachte derweil das Treffen des EZB-Rates am Donnerstag in Nikosia, bei dem das Limit für das Notkreditprogramm ELA der griechischen Notenbank um 500 Millionen Euro angehoben wurde. Mit diesem kommen griechische Geschäftsbanken an billiges Zentralbankgeld, wenn sie Anleihen Athens als Sicherheiten hinterlegen - insofern kommt dies auch dem Staat zugute. EZB-Chef Mario Draghi ließ in Nikosia ferner durchblicken, dass bei einer positiven Bewertung des griechischen Reformprogrammes durch EZB, EU-Kommission und IWF die Anleihenkäufe wieder aufgenommen werden könnten.
Und so blickt die griechische Regierung voller Erwartungen auf das Eurogruppentreffen am Montag in Brüssel. Dort wird über den Sechs-Punkte-Plan Athens beraten, der unter anderem Hilfsmaßnahmen für Arme, Reformen in der öffentlichen Verwaltung und einen Umbau des Steuersystems vorsieht. Beobachter gehen indes davon aus, dass die Gläubiger zusätzlich weitere Privatisierungen zur Erhöhung der Staatseinnahmen einfordern könnten. Erst wenn die anderen Euro-Finanzminister das Reformprogramm absegnen, wird die letzte Kredittranche aus dem zweiten Rettungspaket in Höhe von bis zu 7,2 Milliarden Euro freigegeben, die für eine mehrmonatige Entspannung im Finanzbereich sorgen könnte. Mögliche Vorabzahlungen lehnte das deutsche Finanzministerium allerdings jetzt ab. Vielleicht nimmt man sich zumindest in Brüssel das Motto des diesjährigen Eurovision Song Contests zu Herzen, das da lautet: »Building bridges« (Brücken bauen).
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