Blockupy gegen EZB, Kapital und Krise
Der Protesttag am 18. März im Überblick
Die Aufrufer
Das Blockupy-Bündnis wird getragen von Aktivistinnen und Aktivisten verschiedener emanzipatorischer Gruppen und Organisationen, darunter die Interventionistische Linke, Attac, die Linkspartei, Gewerkschaften, Jugend- und Studierendenverbände, Occupy Frankfurt, das Erwerbslosen-Forum Deutschland, das Netzwerk Friedenskooperative sowie das kommunistische Bündnis »Ums Ganze«. Am Anfang hatte man gehofft, weitere Spektren jenseits des klar linken zu erreichen. Das hat nicht geklappt, aber dafür sind in den letzten Jahren enge Verbindungen zu Aktivisten in Italien, Griechenland oder auch Frankreich entstanden, von denen viele ebenfalls nach Frankfurt kommen wollen.
Die Demo
Der Promifaktor ist hoch bei der zentralen Kundgebung im Zentrum der Stadt: Die kanadische Schriftstellerin und Globalisierungskritikerin Naomi Klein wird dort sprechen, die LINKEN-Politikerin Sahra Wagenknecht, der Kabarettist Urban Priol und der Podemos-Mitbegründer Miguel Urban. Auch ein Vertreter von SYRIZA ist angekündigt. Los geht’s um 14 Uhr mit Musik, Reden, Berichten aus Ländern, die unter der Troikapolitik leiden, und von den Protesten dagegen. Wer sich doch nicht frei nehmen konnte, um schon tagsüber gegen die Krisenpolitik zu protestieren, kann es noch zur Großdemonstration ab 17 Uhr schaffen. 10 000 Personen werden dazu erwartet. Zwei Protestzüge hat der hessische LINKEN-Politiker Ulrich Wilken angemeldet. Der Stadt ist das jedoch einer zu viel. Unstrittig ist offenbar eine Demonstration, die schon am Mittag stattfinden wird und vom Deutschen Gewerkschaftsbund angemeldet wurde.
Der Sonderzug
Gemeinsame Anreise mit Bussen kennen Aktivisten ja schon, aber ein Sonderzug, das ist schon was: Es passen viele Menschen auf einmal rein, er ist umweltfreundlich und weniger polizeianfällig. Busse wurden in den vergangenen Jahren mehrfach vor den Toren Frankfurts gestoppt – bei einem Zug dürfte es wohl nicht so einfach sein, ihn aus dem Verkehr zu ziehen. Wenn alles klappt, werden mit ihm Hunderte Blockupy-Aktivisten aus Berlin, Göttingen und Hannover am Vorabend des Aktionstages nach Frankfurt kommen. Wie immer spielt die Deutsche Bahn nur begrenzt mit – statt der üblichen vier soll die Sonderfahrt stolze acht Stunden dauern. Die Organisatoren haben aber vorgesorgt, damit die lange Zeit nicht langweilig wird – während der Fahrt wird es Diskussionsveranstaltungen und Kulturprogramm geben, und sicher dürfte auch die eine oder andere Blockadestrategie erörtert werden.
Unter der langjährigen CDU-Bürgermeisterin Petra Roth schien es zuweilen so, als wollte Frankfurt Sachsen und Dresden den Rang ablaufen in puncto Demonstrationsfeindlichkeit. So wurde 2012, im ersten Jahr der Blockupy-Proteste, die gesamte Innenstadt mehrere Tage lang zu einer demonstrationsfreien Zone erklärt. Sämtliche politische Veranstaltungen – Kundgebungen, Podiumsdiskussionen bis hin zu Konzerten – wurden mit Verweis auf angeblich erwartbare Straftaten untersagt. Die Polizei riegelte das Bankenviertel komplett ab. Nur eine Demonstration, an der sich rund 30 000 Menschen beteiligten, konnte schließlich stattfinden. Auch sie musste allerdings gerichtlich erstritten werden in der schwarz-grün regierten Finanzmetropole. In den Folgejahren bemühte sich das Ordnungsamt um einen verbindlicheren Ton, der neue SPD-OB Peter Feldmann äußerte sich sogar positiv zu den Protesten. »Kritische Diskurse auch gegenüber der Finanzwirtschaft haben schon immer zu unserer Stadt gehört. Hier muss und wird auch künftig Kapitalismuskritik möglich sein. Proteste gehören zu einer Demokratie«, erklärte er in einem Interview. Praktische Unterstützung hat er mit diesen Worten jedoch nicht gemeint: Die vom Bündnis erhofften Schlafmöglichkeiten für Demonstranten wollte die Stadt jedenfalls nicht zur Verfügung stellen. Der »Finanzplatz« liegt Frankfurt doch noch mehr am Herzen.
Die Form
Schirme und Sonnenbrillen sollen die Blockupy-Aktionen bunt und lebendig aussehen lassen. Für die Demo heißt die Verabredung: »Wir wollen eine Demo, in der alle ungefährdet und unbeschadet mit demonstrieren können. Wir gehen gemeinsam los und wir kommen gemeinsam an.« Eine Ansage vor dem Hintergrund der Erfahrungen vor zwei Jahren, als die Polizei kurz nach dem Start 1000 Demonstranten einkesselte und über sieben Stunden lang festhielt.
Auch die Blockaden sind nicht etwa nur etwas für junge Spontis, sondern familientauglich, seit sie von postautonomen Gruppen rund um die Interventionistische Linke in die Hand genommen wurden. Es gibt einen verbindlichen Aktionskonsens des Bündnisses, das explizit auch Menschen »mit wenig Blockadeerfahrung« einlädt. »Von uns wird keine Eskalation ausgehen«, erklären sie. Gleichwohl stellen sie sich zumindest auf ruppige Handgemenge ein: So können auch »körperschützende Materialien« von den Demonstranten mitgenommen werden, besagt der Aktionskonsens. Der Bevollmächtigte der IG Metall für Frankfurt und diverse LINKEN-Politiker haben jedenfalls angekündigt, an einer Blockade der EZB teilzunehmen. Auch das militante Spektrum mobilisiert fleißig nach Frankfurt. Ein paar »gesmashte« Glasscheiben und Bankautomaten im Vorfeld wollen als Vorgeschmack auf Frankfurt verstanden werden.
Das Wort
Blockupy – das verbindet Blockieren und Occupy. Die Wortschöpfung entstand, nachdem Ende 2011 die weltweite Occupy-Bewegung auch in Deutschland ein paar Zelte aufgeschlagen hatte. Sie blieb zahlenmäßig schwach und politisch diffus, profitierte aber von der Aufmerksamkeit für die großen Schwestern in New York und Madrid. Linke Gruppen, die schon vorher versucht hatten, ein antikapitalistisches Programm als Antwort auf die weltweite Finanzkrise zu popularisieren, nutzten den Medienhype für die neue Bewegung. Mit dem Wort »Blockupy« knüpfen sie an Occupy an und gehen darüber hinaus.
Die Blockaden
Die Vorstellung ist in der Tat verführerisch: Dass die Eröffnungsfeier aus dem Takt gerät, dass die scheinbar Unangreifbaren einmal nicht so können, wie sie wollen, dass sie gestoppt werden auf dem Weg zu einem Job, der für Tausende Menschen Armut und Hoffnungslosigkeit bedeutet, dass der Ort von Menschen erobert wird, die eine solidarische Vision für Europa haben. Am frühen Morgen wollen sich Aktivisten aus verschiedenen Richtungen aufmachen und versuchen, die Straßen rund um die beiden Türme mit Aktionen zivilen Ungehorsams dicht zu machen – sitzend, stehend, mit Straßentheater, Bannern und Schirmen, einem Symbol von Blockupy, seit »Rettungsschirme« für Banken statt für Menschen aufgespannt wurden. Massenblockaden, die auch Gitter und Zäune der Polizei miteinbeziehen, sind angekündigt. Vorbild sind die Blockaden von Heiligendamm beim G7-Gipfel 2007 und in Dresden gegen Nazis, wo Tausende Demonstranten mehrfach vorführten, wie man mit der sogenannten Fünf-Finger-Taktik erfolgreich Absperrungen »umfließt«. Die politischen Auseinandersetzungen über die Legitimität von Blockaden verunsichern die Öffentlichkeit regelmäßig. So rückt die Polizei auch diesmal Blockaden pauschal in die Nähe von Gewalttaten. Dabei sind Aktionen des zivilen Ungehorsams von der Demonstrationsfreiheit gedeckt.
Die EZB
Blockupy verbucht es als ersten Erfolg, die EZB findet es taktvoll in ernsten Zeiten: Die Feierstunde zur offiziellen Eröffnung des EZB-Neubaus fällt bescheidener aus als erwartet – ohne Staats- und Regierungschefs, nur im engen Kreis mit 20 Gästen und 60 EZB-Vertretern. EZB-Präsident Mario Draghi wird sprechen, Frankfurts Oberbürgermeister Peter Feldmann (SPD) die Banker in seiner Stadt willkommen heißen, nachmittags tagt der EZB-Rat. Für die Mitarbeiter soll es ein normaler Arbeitstag werden, wenngleich größtenteils von zu Hause aus. Die EZB geht aber davon aus, dass die Polizei dafür sorgt, dass Gäste und Mitarbeiter, die nicht daheim bleiben, trotz der Proteste ins Gebäude gelangen. Für die Presse hat sie den Zugang jedoch beschränkt – aus »Sicherheitsgründen«. Nur ARD-Fernsehen und -Hörfunk und Nachrichtenagenturen sind zugelassen. Alle anderen Journalisten wie auch Bürger dürfen sich die Feier aus der Ferne anschauen – auf der Homepage der EZB.
Die Staatsmacht
In jedem Jahr stellen sich die Organisatoren dieselbe Frage: Wie wird sich die Polizei verhalten? Jeglichen Protest verhindern, indem sie die Demo einkesselt? Wird sie erneut Troikagegner schon außerhalb der Stadt aufhalten? Dass die Polizei wieder so zurückhaltend sein wird wie im November 2014, als Demonstranten mehr oder weniger ungehindert über den Zaun der EZB kletterten, glaubt jedenfalls kaum einer. Schon weil die Polizei im Vorfeld medial bereits versucht, einen gewalttätigen Einsatz zu rechtfertigen: mit der Warnung vor gewalttätigen Demonstranten.
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