SYRIZA in der Zeitschleife
Griechische Regierung zwischen Verhandlungen mit Gläubigern, eigenen Ansprüchen und Druck aus der Bevölkerung
Die Woche begann für Griechenland wie sie endete: Wie am Montag mit der Eurogruppen-Sitzung waren Athens derzeit wichtigste Regierungsmitglieder auch am Freitag zu Gast in Brüssel. Alexis Tsipras führte mit EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker und dem Präsidenten des Europäischen Parlaments, Martin Schulz, Gespräche über die anstehenden Reformen in seinem Land. Konkrete Hilfszusagen gab es allerdings aus Brüssel am Freitag ebenso wenig wie zu Wochenbeginn.
Am Montag hatten die Euro-Finanzminister der SYRIZA-geführten Regierung unmissverständlich klargemacht, dass die europäischen Partner keinen Cent der noch ausstehenden Kreditrate ohne die Umsetzung konkreter Maßnahmen und deren Evaluierung auszahlen werden. Da auch die Europäische Zentralbank dem Land derzeit keine Kredite gibt, ist die Finanzlage noch prekärer geworden. Spielräume für nicht im Haushalt stehende Maßnahmen etwa zur Linderung der humanitären Krise des Landes sind ohnehin nicht vorhanden.
Am Mittwoch wurden dann aber endlich Gespräche über die Umsetzung der von Athen angekündigten Maßnahmen zur Bekämpfung von Korruption, der Erhöhung der Steuereinnahmen und dem Umbau der Verwaltung aufgenommen. Erstmals kamen Vertreter der SYRIZA-geführten Regierung und der »Institutionen« wieder zu direkten Gesprächen zusammen - in Brüssel auf politischer Ebene, während nach Athen entsandte Beamte vor Ort mit der Hilfe griechischer Kollegen die benötigten Informationen erarbeiteten. Ergebnisse wurden noch nicht bekannt.
Im griechischen Parlament hat man sich unterdessen mit Geschichtsaufarbeitung befasst. Einstimmig beschlossen am Mittwoch alle Parteien, die bereits unter der Vorgängerregierung eingesetzte Kommission zur Untersuchung der Frage ausstehender Reparationszahlungen von Deutschland an Griechenland wieder einzusetzen. Denn die Frage der Sühne von den Nationalsozialisten in Griechenland begangener Verbrechen ist auch 70 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs nicht endgültig geklärt.
Eine zweite Untersuchungskommission soll sich mit den Umständen befassen, unter denen Griechenland gezwungen wurde, den »Europäischen Rettungsschirm« in Anspruch zu nehmen. Dabei gehen in der Regierungskoalition aus SYRIZA und ANEL die Meinungen über den zu untersuchenden Zeitraum auseinander. Der ANEL-Vorsitzende und Verteidigungsminister, Panos Kammenos, hatte vorgeschlagen, lediglich die Zeitspanne von der Übernahme der Regierung durch Giorgos Papandreou im Herbst 2009 bis zur Unterzeichnung des ersten Gläubigermemorandums im folgenden Frühjahr zu untersuchen. Damit wäre die politische Verantwortung beispielsweise für den von Mitarbeitern der griechischen Statistikbehörde erhobenen Vorwurf, das griechische Haushaltsdefizit sei künstlich hochgerechnet worden, auf Papandreou und seinen damaligen Finanzminister Giorgos Papakonstantinou beschränkt. SYRIZA dagegen will die gesamte Zeitspanne von 2009 bis zu den Wahlen im Januar dieses Jahres analysieren. Ziel sei es, so Tsipras, »die Umstände aber auch die politische Verantwortung aller Beteiligten zu untersuchen, die beim Konkurs des Landes eine Rolle gespielt und uns in die Kredite gezwungen haben«.
Nicht nur in der EU, auch im eigenen Land wird derweil Druck auf die Regierung ausgeübt. Am 2. März sind etwa 20 anarchistische und widerständige Gefangene sowie wegen Mitgliedschaft in verschiedenen bewaffnet kämpfenden Organisationen Verurteilte in den Hungerstreik getreten. Sie fordern die Abschaffung der Sondergefängnisse mit eingeschränkten Rechten für die dort Inhaftierten und die Annullierung diverser Antiterrorgesetze. Ein Teil der Hungerstreikenden kämpft für die Freilassung der Mutter und der Ehefrau eines Gefangenen. Sie wurden im Zuge der Festnahme einer jungen Frau ebenfalls in Untersuchungshaft genommen. Während am Mittwoch bereits die ersten beiden Hungerstreikenden ins Krankenhaus gebracht werden mussten, sorgen außerhalb der Gefängnismauern Solidaritätsaktionen für Aufsehen. Zur Unterstützung der Forderungen war sogar die Parteizentrale von SYRIZA für einen Tag besetzt worden.
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