Frankreichs Regierung droht ein Desaster
Prognosen für die Départementswahlen lassen eine geringe Beteiligung und Gewinne für die rechte Front National erwarten
»Am Sonntag ist Wahl und kaum jemand geht hin«, witzelte dieser Tage die humoristische Wochenzeitung »Le Canard enchainé«. Dabei ist das Thema ernst, weil viel auf dem Spiel steht. Für die Sozialistische Partei (PS) drohen die Départementswahlen am kommenden und am darauffolgenden Sonntag zu einem Desaster zu werden, denn die von ihnen geführte Regierung hat schwer enttäuscht. Doch davon können die rechte Oppositionspartei UMP und das mit ihr verbündete Zentrum kaum profitieren - an ihnen kritisieren viele ihrer eigenen Anhänger, dass sie untereinander zerstritten und durch Skandale belastet seien. Die Rolle des lachenden Dritten kommt der rechtsradikalen Front National (FN) zu.
Umfragen ergeben, dass die FN mit 26 bis 29 Prozent der Stimmen rechnen kann und dass voraussichtlich 57 Prozent der Wahlberechtigten der Abstimmung fernbleiben. Eine Analyse nach der letzten Wahl ergab, dass damals von den Franzosen unter 35 Jahren sogar 75 Prozent nicht wählen gegangen sind; bei den Arbeitslosen waren es 69 Prozent, bei Arbeitern 68 Prozent und bei Angestellten 65 Prozent. Für alle Parteien stand deshalb im Wahlkampf als zentrale Aufgabe, zunächst ihre eigenen Anhänger zu mobilisieren.
Die Wahlverweigerer, die faktisch Frankreichs größte Partei bilden, bleiben nicht nur aus Desinteresse oder Bequemlichkeit der Wahlurne fern, sondern oft demonstrativ, weil sie mit der Politik der gegenwärtigen Regierung oder überhaupt mit der Entwicklung des Landes in den vergangenen Jahren unzufrieden sind und dies kundtun wollen. Immer mehr dieser Unzufriedenen wenden sich aber auch der rechtsradikalen Front National zu, die mit griffigen Losungen eine andere Politik verspricht.
Ihr wollen immer mehr Franzosen eine Chance geben, zumal diese Partei noch nie an der Regierung beteiligt war und ihr somit auch kein Versagen in dieser Rolle angekreidet werden kann. Seit 30 Jahren nimmt die Zahl der Wahlverweigerer - mit Ausnahme bei den Präsidentschaftswahlen - zu, und bezeichnenderweise kann man auch seit 30 Jahren eine wachsende Rolle der Front National beobachten.
Die Départementswahlen bringen diesmal auch Neues. Früher wurde bei sogenannten Kantonalwahlen immer nur ein Drittel der Mitglieder der Generalräte der Départements erneuert. Die Generalräte wurden durch die 2014 beschlossene Regionalreform umgewandelt; ihre insgesamt 4100 Abgeordneten sind jetzt auf einmal zu wählen. Und der Auswahlprozess ermöglicht, dass in den Räten die auf allen politischen Ebenen seit Jahren immer wieder angemahnte Parität der Geschlechter auf einen Schlag gesichert wird.
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