Länder erwarten höhere Zahl von Asylbewerbern

Brandenburg sieht das Thema als Schwerpunkt der Ministerpräsidentenkonferenz

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Berlin. Mehrere Bundesländer halten die bisherige offizielle Prognose für die Zahl der Asylanträge in diesem Jahr für zu niedrig. Nach einem Bericht der »Welt an Sonntag« haben sich Nordrhein-Westfalen, Hessen, Schleswig-Holstein und Brandenburg auf Arbeitsebene beim Nürnberger Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) für eine Anhebung der Prognose von bislang 300.000 Asylbewerbern ausgesprochen. Die Länder rechnen demnach mit einer deutlichen höheren Zahl. Brandenburg will das Thema Flüchtlinge zum Schwerpunkt der nächsten Ministerpräsidentenkonferenz am Donnerstag in Berlin machen.

Im vergangenen Jahr haben nach Angaben des Bundesinnenministeriums rund 173.000 Menschen erstmals einen Asylantrag in Deutschland gestellt. Außerdem versuchten rund 30.000 Menschen mit einem wiederholten Antrag, Asyl in Deutschland zu bekommen. Die Gesamtzahl der Asylanträge lag damit im Jahr 2014 bei 202.834.

Brandenburgs Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD) sagte der »Welt am Sonntag«: »Aufgrund unserer Erfahrung wird die Zahl in diesem Jahr wohl angesichts der weltweiten Krisen deutlicher steigen.« Die Länder benötigten vom Bundesamt in Nürnberg eine »realistische Einschätzung« zur Planung. »Bereits heute haben wir alle Hände voll zu tun, um ausreichend Plätze für die Unterbringung der Flüchtlinge zu schaffen«, sagte Schröter.

Das Bundesland Schleswig-Holstein rechnet für 2015 bundesweit mit mehr als einer halben Million Asylanträgen. »Wir dürfen nicht die Augen vor der Realität verschließen«, sagte der Kieler Innenminister Stefan Studt (SPD) der Zeitung. »Wenn wir unsere Zahlen hochrechnen, müssen wir 2015 in Deutschland mit 500.000 bis 550.000 neuen Asylbewerbern rechnen«, erklärte Studt.

Auch das schwarz-grün regierte Hessen hält dem Bericht zufolge die Prognose des Bundesamtes für zu niedrig. Die Länder seien »auf realitätsnahe Prognosen des BAMF angewiesen, da sie hiernach ihre Platzkapazitäten ausrichten müssen«, sagte ein Sprecher des hessischen Sozial- und Integrationsministers Stefan Grüttner (CDU) der Zeitung.

Das Nürnberger Bundesamt lehnt dem Bericht zufolge eine Korrektur seiner letzten Prognose von Februar bislang ab. Man halte eine Anpassung für das laufende Jahr für verfrüht, erklärte die Behörde. Die Entwicklung der Asylantragszahlen im Bundesgebiet werde jedoch sehr genau beobachtet. Eine Korrektur im weiteren Verlauf des Jahres sei daher durchaus möglich.

Brandenburgs Regierungschef Dietmar Woidke (SPD), der der Ministerpräsidentenkonferenz aktuell vorsitzt, erklärte am Sonntag in Potsdam, seit dem letzten Treffen im Dezember habe sich die Situation »in nicht vorhersehbarer Weise zugespitzt«. Er sehe die Asyl- und Flüchtlingspolitik daher als wichtigsten Tagesordnungspunkt auf der für Donnerstag in Berlin anberaumten Ministerpräsidentenkonferenz.

Im Januar und Februar seien deutlich mehr Flüchtlinge und Asylsuchende nach Deutschland gekommen als prognostiziert. Auch mit Blick auf die Lasten der Kommunen und der vielen Organisationen und Verbände, die sich um eine menschenwürdige Unterbringung und Versorgung der Flüchtlinge kümmerten, müsse das Thema erneut auf die Tagesordnung: »Wir haben es mit einer gesamtstaatlichen Herausforderung zu tun«, unterstrich Woidke.

Deshalb erwarteten die Länder, dass der Bund bei den gesetzlichen Rahmenbedingungen seine Verantwortung schneller und konsequenter wahrnehme. Zudem würden die Länder darauf dringen, dass sich der Bund stärker an den Kosten von Ländern und Kommunen beteiligt. epd/nd

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