Copilot war am Unglückstag krankgeschrieben
Debatte über Einführung der Zwei-Personen-Regel im Cockpit /Grüne fordern europäische Richtlinie zur Flugsicherheit / Nach dem Absturz der Germanwings-Maschine: Linien verschärfen Sicherheitsvorschriften / UNO fordert medizinische Spezialtests von Piloten
Update 15.10 Uhr: Trotz der Flugzeug-Tragödie in Südfrankreich glauben die meisten Menschen in Deutschland nicht, dass sie ihre Reisepläne ändern werden. Das ergab eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov. Die Mehrheit der Befragten gab an, sie glaubten eher nicht (40 Prozent) oder auf keinen Fall (41 Prozent), dass sie ihre Reisepläne unmittelbar wegen des Unglücks ändern werden. Anders sahen das 14 Prozent: Davon gaben 4 Prozent an, sie glaubten dies »auf jeden Fall«, 10 Prozent stimmten für »eher ja«. Die restlichen Befragten machten keine Angaben, wie YouGov in Köln am Freitag mitteilte.
Update 13.45 Uhr: Nach dem Absturz der Germanwings-Maschine denken EU-Behörden über neue Empfehlungen für die Besetzung des Cockpits nach. EU-Mitarbeiter erklärten am Freitag in Brüssel, sie berieten mit der Branche und den nationalen Regierungen darüber. Derzeit würden kurzfristige Maßnahmen geprüft, hieß es. »Wir sprechen über die Zahl der Personen im Cockpit.« Es werde ermittelt, ob neue Empfehlungen angemessen und machbar seien.
Wo sie bereits eingeführt wurde, sollte die Zwei-Personen-Regel den EU-Experten zufolge weniger der Beaufsichtigung des Piloten oder Copiloten dienen sondern der Sicherung des Cockpits vor Eindringlingen. In vielen Flugzeugen sei der Bereich auf der anderen Seite der Tür mit einer Kamera einsehbar. Wo diese fehle, brauche es hingegen eine zweite Person, die das Steuer verlasse und durch ein Sichtfenster in der Tür blicke.
Die Europäische Agentur für Flugsicherheit EASA kann verbindliche technische Vorgaben nur für die Flugtauglichkeit von Maschinen machen. In anderen Fragen spricht sie aber Empfehlungen aus - diese können aber eine Grundlage für spätere Gesetze sein.
Update 13.00 Uhr: Der Copilot des abgestürzten Germanwings-Fluges habe nach Erkenntnissen der Ermittler eine Erkrankung offenbar verheimlicht. In seiner Wohnung gefundene Dokumente wiesen auf eine bestehende Erkrankung und eine entsprechende Krankschreibung hin, die auch für den Tag des Fluges gegolten habe, teilte die Staatsanwaltschaft in Düsseldorf am Freitag mit.
Um welche Krankheit es sich handelte, blieb zunächst offen. Die Ermittler nehmen an, dass der Copilot »seine Erkrankung gegenüber dem Arbeitgeber und dem beruflichen Umfeld verheimlicht hat«. An seinen beiden Wohnsitzen seien weder ein Abschiedsbrief noch Bekennerschreiben gefunden worden, es gebe keine Anhaltspunkte für einen politischen oder religiösen Hintergrund.
Update 12.50 Uhr: Viele Airlines und Flugsicherheitsbehörden in Europa, aber auch in Australien und Neuseeland kündigten am Freitag eine Neuregelung an oder sie wollen die Bestimmungen für die Cockpit-Besetzung überprüfen. In der Regel sind die Airlines bislang nicht verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, dass sich immer mehr als ein Besatzungsmitglied im Cockpit aufhält. In den USA, aber auch in Europa wird das aber schon teilweise so praktiziert.
Für die deutschen Airlines kündigte Matthias von Randow, der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL), an, dass am Freitag die neue Zwei-Personen-Regelung mit dem Luftfahrt-Bundesamt besprochen werden sollte. Als Konsequenz aus dem Absturz hätten sich die BDL-Mitglieds-Airlines darauf verständigt, dass sich kein Pilot während des Fluges mehr allein im Cockpit aufhalten soll, hatte von Randow der Deutschen Presse-Agentur gesagt. Die Regelung werde nur vorläufig eingeführt.
Update 12.05 Uhr: Die UNO forderte regelmäßige medizinische Spezialtests von Piloten. Diese Untersuchungen müssten sowohl die psychische als auch die körperliche Fitness der Piloten prüfen, erklärte die Internationale Zivilluftfahrtorganisation (ICAO). Die Untersuchungen müssten von Ärzten vorgenommen werden, die auf die besonderen gesundheitlichen Anforderungen im Luftverkehr spezialisiert seien. Falls die Ergebnisse Anlass zur Sorge gäben, müssten »noch speziellere« Untersuchungen stattfinden. Dann müssten auch neuropsychologische Checks in Erwägung gezogen werden.
Update 12.00 Uhr: Nach dem Bundestag gedachte am Freitag auch der Bundesrat der Opfer des Flugzeugabsturzes mit einer Schweigeminute. »Wir sind zutiefst betroffen und erschüttert über dieses tragische Unglück«, sagte Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) als Bundesratspräsident vor der Länderkammer. »Wir können den Schmerz der Angehörigen und Freunde nicht lindern, aber wir sind in Gedanken bei ihnen und fühlen mit.«
Update 11.50 Uhr: Europas Flugverkehr ist in diesen Tagen eine gewisse und nachvollziehbare Nervosität anzumerken. Diese Meldung errreichte uns vor einigen Minuten aus den Niederlanden: Wegen eines massiven Stromausfalls in der dichtbevölkerten niederländischen Provinz Nordholland sind am Freitag alle Flüge am internationalen Flughafen von Amsterdam gestrichen worden. Eine Sprecherin des Flughafens Schiphol sagte, der Betrieb funktioniere derzeit mit Notstrom. Alle Flüge seien gestoppt oder zu umliegenden Flughäfen umgeleitet worden.
Update 10.47 Uhr: Der CDU-Verkehrsexperte Oliver Wittke hat sich für die Einführung eines »Vier-Augen-Prinzips« im Cockpit ausgesprochen und sieht dabei die EU in der Verantwortung. »Da sind jetzt die europäischen Behörden gefordert. Das können wir nicht im nationalen Alleingang regeln«, sagte Wittke am Freitag im ARD-Morgenmagazin. Das Mitglied des Verkehrsausschusses begrüßte die Entscheidung, dass sich deutsche Luftfahrtunternehmen nach dem Absturz eines Germanwings-Flugzeugs mit 150 Toten zu einem »Vier-Augen-Prinzip« im Cockpit verpflichten wollen. Man müsse aus der schlimmen Tragödie lernen. Den Ermittlern zufolge soll der Copilot des am Dienstag abgestürzten Flugzeugs den Piloten ausgesperrt und die Maschine auf Crashkurs gesteuert haben.
Die Grünen im Europaparlament haben die EU-Kommission und die Regierungen der Mitgliedstaaten zum Handeln aufgefordert. Der Vorsitzende des Verkehrsausschusses im EU-Parlament, Michael Cramer, forderte am Freitag im Deutschlandfunk eine europäische Richtlinie zur Flugsicherheit. Dabei gehe es nicht nur um die Frage, ob immer zwei Personen im Cockpit sein müssten, sondern auch um eine Begrenzung von Bereitschaftszeiten für Piloten und Vorgaben für die einheitliche Wartung von Flugzeugen.
Dass der Co-Pilot der Germanwings-Maschine das Flugzeug offenbar absichtlich zum Absturz gebracht habe, sei »ein sehr tragischer Einzelfall«, sagte Cramer. »Gegen totale Absicht kann man nichts machen. Hundertprozentige Sicherheit gibt es nicht.« Es stelle sich aber schon die Frage, ob der Co-Pilot so gehandelt hätte, wenn während der Abwesenheit des Piloten »ein Steward oder eine Stewardess dabei gewesen« wäre.
»Wenn man die Konsequenzen sieht, bin ich für ein europäisches Gesetz, weil es natürlich auch in der Luftfahrt einen enormen Wettbewerb um die billigsten Preise gibt«, sagte Cramer. »Und oft geht dann das billigste Angebot auch auf mangelnde Sicherheit zurück.« Cramer verwies auf die Länge der Dienstzeiten von Piloten. »Ich will nicht von einem Piloten geflogen werden, der schon zehn oder zwölf Stunden Bereitschaftsdienst hat, der übermüdet ist.« Auch die Wartung der Flugzeuge sei »nicht überall gleich«. Nötig sei deshalb eine europäische Regelung, »die alle verpflichtet«.
Aus seiner Sicht seien nun die Staats- und Regierungschefs gefragt, um das zu ermöglichen, sagte Cramer. »Die sollten sagen, ja, wir wollen die höchstmögliche Sicherheit.« Geld sollte dabei »keine Rolle spielen«, sagte der Grünen-Politiker. Schließlich müssten die europäischen Airlines keine Kerosin-Steuer und auf internationalen Verbindungen keine Mehrwertsteuer bezahlen. Sie bekämen »deshalb 30 Milliarden Euro vom europäischen Steuerzahler«.
Ramsauer warnt zur Vorsicht mit voreiligen Schlüssen
Update 10.40 Uhr: Der frühere Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer warnt davor, den Absturz des Germanwings-Airbus für aufgeklärt zu halten und vorschnelle Schlüsse zu ziehen. In der ZDF-Sendung »Maybrit Illner« sagte der CSU-Politiker am Donnerstagabend, auch wenn die französische Staatsanwaltschaft behaupte, der Copilot habe die Maschine absichtlich zum Absturz gebracht, heiße das »noch lange nicht, dass es wirklich definitiv so ist«.
Viele Staatsanwaltschaften hätten »schon viel in die Welt gesetzt«, viele Urteile hätten aber am Ende ganz anders ausgesehen, sagte Ramsauer. Auch mit Rücksicht auf die Angehörigen sei Besonnenheit gefragt.
Das Vorstandsmitglied der Pilotenvereinigung Cockpit, Markus Wahl, riet in der Sendung ebenfalls, die Untersuchungen abzuwarten. Erst dann könne bewertet werden, ob es wirklich das »Drama« gewesen sei, von dem im Moment alle ausgingen.
Der Staatsanwalt in Marseille, Brice Robin, hatte gesagt, es sehe so aus, als ob der Copilot das Flugzeug vorsätzlich zum Absturz gebracht habe.
Ex-Sicherheitschef hät Zwei-Personen-Regel für wenig nützlich
Update 10.30 Uhr: Was bringt die Zwei-Personen-Regel im Ernstfall tatsächlich, mit der mehrere europäische Fluggesellschaften auf den Absturz der Germanwingsmaschine reagieren. Der ehemalige Sicherheitschef der polnischen Fluggesellschaft LOT, Jerzy Dziewulski, hat sich dazu skeptisch geäußert. Flugbegleiter im Cockpit könnten während der Abwesenheit eines der Piloten nichts machen, um eine Katastrophe zu verhindern, sagte er im polnischen Nachrichtensender »TVN 24«. »Der Pilot in der Kabine sagt: Setz dich, fass nichts an, du hast keine Ahnung. Ich bin derjenige, der die Maschine steuert.«
Airlines führen Zwei-Personen-Regel im Cockpit ein
Berlin. Nach dem Absturz der Germanwings-Maschine über Frankreich sind erste Konsequenzen gezogen worden. Easyjet, Air Berlin und mehrere weitere Linien verschärften ihre Sicherheitsvorschriften. Nach weiteren Folgen wird gerufen. Die UNO forderte regelmäßige medizinische Spezialtests von Piloten. Diese Untersuchungen müssten sowohl die psychische als auch die körperliche Fitness der Piloten prüfen, erklärte die Internationale Zivilluftfahrtorganisation (ICAO) am Donnerstag. Einem Bericht zufolge versuchte der ausgesperrte Pilot Minuten vor dem Aufprall noch, die Tür zum Cockpit mit einer Axt zu öffnen. Die ICAO erklärte, die Untersuchungen müssten von Ärzten vorgenommen werden, die auf die besonderen gesundheitlichen Anforderungen im Luftverkehr spezialisiert seien. Falls die Ergebnisse Anlass zur Sorge gäben, müssten »noch speziellere« Untersuchungen stattfinden. Dann müssten auch neuropsychologische Checks in Erwägung gezogen werden.
Am Donnerstag war bekannt geworden, dass der Co-Pilot das am Dienstag in den französischen Alpen verunglückte Flugzeug mit 150 Menschen an Bord offenbar bewusst zum Absturz brachte. Über mögliche Motive des Mannes, der in den Minuten vor dem Aufprall der Maschine allein im Cockpit war, konnte die französische Staatsanwaltschaft zunächst keine Angaben machen. Sie räumte aber ein, dass die Frage nach einem Suizid gestellt werden könne.
Bei der Lufthansa-Tochter Germanwings herrschte nach dem vermutlich vorsätzlich herbeigeführten Absturz Fassungslosigkeit und Entsetzen. »Wir sind alle unter vollkommenem Schock«, sagte Germanwings-Chef Thomas Winkelmann im ZDF-»heute journal«. Man werde alles tun, damit ein solches Ereignis niemals wieder vorkommen werde. Mit Blick auf die Forderung nach der Verschärfung von Cockpit-Regeln, sagte er: »Mir stellt sich die Frage, wenn ein Mensch mit solcher Energie einen kriminellen Akt begehen will, ob das dann zu verhindern ist, wenn beispielsweise eine Flugbegleiterin oder ein Flugbegleiter im Cockpit ist.«
Lufthansa-Chef Carsten Spohr berichtete am Donnerstag von einer mehrmonatigen Ausbildungsunterbrechung des 28-Jährigen, ohne die Gründe dafür zu benennen. Der »Bild«-Zeitung zufolge pausierte der Co-Pilot damals wegen einer »schweren depressiven Episode«. Auch zuletzt war er demnach in regelmäßiger medizinischer Behandlung. Die These einer Depression war zuvor bereits in anderen Medien aufgetaucht. Die Staatsanwaltschaft Düsseldorf ließ am Donnerstag die Wohnungen des Co-Piloten in Montabaur und Düsseldorf durchsuchen.
Der Vorsitzende des Verkehrsausschusses, Martin Burkert (SPD), kündigte an, alle Sicherheitsbestimmungen im Flugverkehr auf den Prüfstand zu stellen. »Wir hinterfragen alles«, sagte er der »Passauer Neuen Presse« vom Freitag. Debattiert werden müsse unter anderem darüber, welche Hilfsangebote es für das Personal bei physischen oder psychischen Problemen gebe und ob diese ausreichten. Burkert kündigte an, dass sich der Ausschuss insgesamt stärker dem Luftverkehr widmen werde.
Unterdessen zogen zahlreiche Fluggesellschaften Konsequenzen aus dem Drama: Easyjet, Air Berlin und mehrere weitere Linien verschärften ihre Sicherheitsvorschriften, so dass künftig das Cockpit immer mit mindestens zwei Menschen besetzt sein muss. Eine Sprecherin der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL) bestätigte am Abend, die größten deutschen Fluggesellschaften wollten Konsequenzen ziehen und die Zwei-Personen-Regel im Cockpit einführen. Während die europäischen Luftfahrtregeln dies nicht zwingend vorschreiben, gilt diese Vorschrift in den USA. Auch Kanada führte die Zwei-Personen-Regel nun ein.
Die »Bild«-Zeitung berichtete am Freitag unter Berufung auf Sicherheitskreise, dass der ausgesperrte Pilot mit einer Axt versuchte, die Tür zum Cockpit zu öffnen, um den Sinkflug der Maschine zu stoppen. »Zu der Sicherheitsausrüstung eines A320 gehört auch eine Axt«, sagte eine Germanwings-Sprecherin der Zeitung. Bevor die Sicherheitsmaßnahmen nach den Anschlägen vom 11. September 2001 in den USA massiv verstärkt wurden, war es möglich, die Türen im Notfall mit der Axt einzuschlagen.
Der Airbus mit der Flugnummer 4U9525 war am Dienstag auf dem Weg von Barcelona nach Düsseldorf, als er über Südfrankreich minutenlang an Flughöhe verlor und am Bergmassiv Les Trois Evêchés zerschellte. Dort soll am Freitag auch wieder unter Hochdruck nach dem zweiten Flugschreiber der Airbus A320 der Lufthansa-Tochter Germanwings gesucht werden. Er könnte weitere Erkenntnisse zum Geschehen im Cockpit vor dem Absturz liefern. Agenturen/nd
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