Verirrt im »Lebenspark« Alt-Rehse
Gericht verurteilt Betreiber eines alternativen Wohnprojekts bei Neubrandenburg
Neubrandenburg. Die Betreiber des gescheiterten alternativen Wohnprojekts »Tollense-Lebenspark« Alt Rehse im Kreis Mecklenburgische Seenplatte sind zu einer Bewährungsstrafe von sechs Monaten und einer Geldstrafe verurteilt worden. Das Amtsgericht Neubrandenburg sprach den 57-jährigen Hauptangeklagten am Dienstag des Kreditbetrugs und der Urkundenfälschung schuldig, seinen 53 Jahre alten Bruder der Insolvenzverschleppung. Zuvor hatten die Männer aus Bayern, die die Gemeinschaft 2006 gegründet hatten, Geständnisse abgelegt. Richterin Tanja Krüske bezeichnete den 57-Jährigen als »jemanden, der Wasser predigt, aber selbst Wein trinkt«.
Der »Lebenspark« sorgte für Aufsehen, weil in dem 64 Hektar großen Park Alt Rehse in der NS-Zeit die »Führerschule der deutschen Ärzteschaft« untergebracht war. Um die Zukunft des wegen seiner Geschichte sensiblen Geländes gab es nach 1990 lange Streit. Der Bund übernahm die Immobilie und verkaufte sie an den Geschäftsmann Gerd Preissing aus Bayern. Dieser verpachtete den Park an die jetzt beschuldigten Brüder, die mit dem »Tollense-Lebenspark« einen alternativen Gegenentwurf zur Gesellschaft leben wollten. Sie sollen aber die vereinbarte Summe nie bezahlt haben.
Im Prozess wurde deutlich, dass das 2014 endgültig gescheiterte Projekt von Anfang an unter Geldmangel litt, wie Gutachter belegten. »Wir wollten in dieser Welt des Finanzkapitalismus die alternative Lebensform des Artabana umsetzen«, sagte der Hauptangeklagte. Dabei schafft sich eine Gemeinschaft unter anderem eine autarke eigene Währung und Versicherung und koppelt sich von der Gesellschaft ab. Als 2011 aber die Bank die nächste Kreditrate nur gegen weitere Bürgschaften herausgeben wollte, habe er sechs Unterschriften von Freunden gefälscht: »Damals sah ich keinen anderen Weg.« Inzwischen hat der Eigentümer die Betreiber per Gericht vom Parkgelände verwiesen. Was aber aus dem Gelände wird, gilt derzeit als unklar. »Solch ein Gelände gehört in öffentliche Hand«, hat der Bürgermeister von Penzlin, wozu Alt Rehse gehört, Sven Flechner (parteilos) bereits gefordert. dpa/nd
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.