FBI lieferte jahrzehntelang falsche forensische Analysen
Mehrere hundert US-Bürger zu Unrecht verurteilt - zum Teil zum Tode
Washington. Die US-Bundespolizei FBI hat laut einem Bericht der »Washington Post« in Gerichtsverfahren jahrzehntelang massenhaft falsche kriminaltechnische Analysen geliefert. Seit den 1970er Jahren hätten fehlerhafte Haaranalysen zur Verurteilung Hunderter möglicherweise unschuldiger Angeklagter geführt, berichtete die Zeitung am Sonntag. Meist habe es sich um Mord- oder Vergewaltigungsfälle gehandelt. Die Zeitung spricht von einem der »größten forensischen Skandale« in den USA.
Mehr als 95 Prozent der bisher untersuchten 268 Fälle seien dem Bericht nach fehlerhaft. Die falschen Analysen hätten jeweils die Argumente der Anklage begünstigt, heißt es. Bei den betroffenen Verfahren habe es auch 32 Todesurteile gegeben, 14 Verurteilte seien seitdem entweder hingerichtet worden oder im Gefängnis gestorben. Unklar ist noch, ob und gegebenenfalls wie viele Prozesse neu aufgerollt werden müssen. Seit den 1970er Jahren sollen die Gerichtsurteile gefällt worden sein. Insgesamt müssten 2500 Fälle untersucht werden.
Konkret hatten die kriminaltechnischen Experten an Tatorten gefundene Haare nach fehlerhaften Methoden den Angeklagten zugeordnet. Dabei seien auf zweifelhafte Statistiken zurückgegriffen worden, die jedoch keinen einwandfreien Rückschluss erlaubten, das Haar einer bestimmten Person zuordnen zu können. Erst die Kombination mit einem genaueren DNS-Test hätte Gewissheit bringen können. Solche Standards seien aber erst 2012 schriftlich festgelegt worden, gab das FBI nach Angaben der Zeitung nun zu. Eine Untersuchung hatte damals ergeben, dass Analysen oft trotz einer unvollständigen oder irreführenden Informationslage getroffen worden sein.
Die US-Bundespolizei und das Justizministerium gaben in einer schriftlichen Erklärung an, die Verfehlungen eingehend untersuchen zu wollen, um sicherzustellen, dass der Gerechtigkeit genüge getan werde. Zudem wolle man in Zukunft eine fehlerfreie Haaranalyse gewährleisten.
Die »Washington Post« wies auch darauf hin, dass bei den betroffenen Verfahren neben den fehlerhaften forensischen Analysen möglicherweise auch andere Beweise zur Verurteilung beigetragen hätten. Angeklagte und Staatsanwaltschaft in zahlreichen Bundesstaaten seien aufgerufen worden, mögliche Berufungsverfahren zu prüfen. Vier Angeklagte seien bereits zuvor aus der Haft entlassen worden.
Der Verdacht fehlerhafter kriminaltechnischer Analysen geht seit Jahren um. Bereits 2012 hatte die »Washington Post« mit einem entsprechenden Bericht für Wirbel gesorgt. dpa/nd
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