Machtanspruch per Brandsatz

In Bitterfeld-Wolfen wollen Nazis offenbar neue Netzwerke etablieren - auch mit Gewalt

  • Hendrik Lasch
  • Lesedauer: 3 Min.
In Bitterfeld-Wolfen in Sachsen-Anhalt häufen sich die Angriffe auf linke Projekte und alternative Jugendliche. Beobachter sehen Zusammenhänge zum Zuzug rechtsextremer Aktivisten.

Bitterfeld-Wolfen. Die Brandsätze flogen kurz nach Mitternacht über den Zaun des »Alternativen Kulturwerks« (AKW) Bitterfeld. Sie landeten auf einem Wohnwagen und fraßen sich durch dessen Dach. Zum Glück schlief der Bewohner nicht im Wagen, heißt es nach der Attacke vom Samstag im AKW. Dennoch sieht man den Angriff dort als »bisherigen Höhepunkt der aktuellen Welle rechter Gewalt« in der Stadt im Süden von Sachsen-Anhalt.

Seit Ende März hatte es in Bitterfeld bereits vier Übergriffe gegeben, heißt es beim AKW. Dreimal seien alternative Jugendliche attackiert worden, zweimal sogar in ihren eigenen Wohnungen, in die Gruppen von bis zu sechs Vermummten eingedrungen seien. Es gab Schläge und verbale Bedrohungen. Eines der Opfer sei einige Tage später in der Nähe des Bahnhofs aus einem Auto heraus angepöbelt und danach mit einem Baseballschläger verprügelt worden. Drei Tage vor dem Brandanschlag seien zwei Asylbewerber in einem Park mit Flaschen beworfen worden.

Im Landkreis Anhalt-Bitterfeld habe es damit bis Mitte April sieben rechte Gewalttaten gegeben, sagt Sebastian Striegel, Landtagsabgeordneter der Grünen: »Im gesamten Vorjahr waren es fünf.« Striegel, der in Bitterfeld ein Abgeordnetenbüro betreibt, traf sich wegen der Zuspitzung am Montag mit der Leiterin des örtlichen Polizeireviers.

Nach dem Angriff gab es am Sonntag in der Stadt eine spontane Demonstration der linken Szene. Nachdem wenige Tage zuvor auch die Naziszene einen Aufmarsch mit rund 50 Teilnehmern durchgeführt hatte, ist in Medienberichten nunmehr von einem gegenseitigem Aufschaukeln die Rede. Die Polizei verspricht den besorgten Bürgern, das »Aufeinandertreffen verschiedener Spektren in Bitterfeld zu unterbinden«, wie es in einem Bericht des MDR hieß. Als Auslöser für die Eskalation macht die »Mitteldeutsche Zeitung« Mahnwachen auf dem Bitterfelder Markt aus, an denen sich auch »Mitglieder des rechten Spektrums« beteiligt hätten.

Szenebeobachter gehen allerdings davon aus, dass die Mahnwachen und die Übergriffe als Teile eines breiter angelegten Versuchs teils zugezogener Nazikader zu sehen seien, die Hegemonie in der Region zu erlangen. Vom »Versuch, neue Strukturen zu schaffen«, spricht Henriette Quade, Expertin für Rechtsextremismus in der Linksfraktion im Landtag. Diese träfen in der Chemiestadt freilich auf eine bestehende »gewaltbereite und handlungswillige Szene«. Ihr strategisches Ziel, sagt Quade, sei die Etablierung einer »national befreiten Zone«. Dafür würden jene bedroht, »die sich diesem Ziel in den Weg stellen«. Eine Analyse des AKW nennt einige der rechten Aktivisten mit Namen. Aufgeführt wird zu allererst Maria-Luise Süß-Lindert, die aus Hessen nach Sachsen-Anhalt gezogen sei und früher in der verbotenen Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei (FAP) aktiv war. Später gehörte sie eine Weile der Partei »Die Rechte« an; aktuell sei sie in der Neonazi-Kleinpartei »Der Dritte Weg« aktiv. Beide Stationen soll sie mit ihrem auch in die Region zugezogenen Lebensgefährten Maik Mosebach gemeinsam haben, der einst zudem für die NPD in den hessischen Landtag strebte. Zu den neu ansässigen Kadern wird zudem Hans-Robert Klug gerechnet, Bundeschef der Partei »Die Rechte«. Auf den Mahnwachen traten sie zusammen mit Stefan Wießner auf, der seit langem zur gewaltbereiten Bitterfeld Naziszene gehört.

Auf der Demonstration vor gut einer Woche soll Mosebach angekündigt haben, Bürger vor angeblichen Angriffen der Antifa zu schützen: »Wir werden uns wehren.« Süß-Lindert soll offen gefordert haben, dem AKW »Einhalt zu gebieten, aufzuräumen, reinzugehen, nachzusehen, wer sich dort überhaupt aufhält«. Nicht ausgeschlossen ist, dass dieser Aufforderung nun gefolgt wurde.

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