Verhandeln wie ein Profi

Jörg Meyer über die Verhandlungen der GDL mit der Deutschen Bahn

  • Lesedauer: 2 Min.

Dafür, dass die Bahn überhaupt bereit war, mit der GDL über einen Tarifvertrag für alle Berufsgruppen bei der DB zu sprechen, brauchte es im Vorjahr mehrere Streiktage und die Ankündigung des längsten Bahnstreiks in der Geschichte der Bundesrepublik. Ergebnis: Scheinbares Einlenken der Bahn, Streikabsage, Wiederaufnahme von Verhandlungen - und wieder stockt es.

Dem Unternehmen nützen jetzt, wie schon vor einigen Monaten, Medien wie etwa der »Focus«, der mit GDL-Chef Claus Weselsky hart ins Gericht geht. Seinerzeit veröffentlichte das Wochenblatt ein Bild des Wohnhauses des »aktuell wohl meistgehassten Deutschen« - nun brachte das Magazin einen Beitrag des »Onlineexperten« Adel Abdel-Latif mit dem Titel »Weselskys wunder Punkt: Wo die Bahn den GDL-Chef packen kann«. Dieser Experte ist Trainer für Verhandlungsführung. Sein Schlachtruf sei »Quick and Dirty« - also schnell und dreckig, weiß die Schweizer »Handelszeitung«.

Tarifabschlüsse für alle Beschäftigtengruppen abzuschließen sei rechtlich gar nicht möglich, schreibt Abdel-Latif weiterhin im »Focus«. Weselsky untermauere seinen Unwillen, eine Einigung zu erzielen, mit einer nicht durchsetzbaren Forderung. Geschuldet sei dieses Verhalten einem »durchschimmernden Narzissmus und Geltungsdrang«, der durch mediale Aufmerksamkeit »ins Unermessliche« gewuchert sei. Weselsky blockiere zwanghaft einen Abschluss, um nicht in Bedeutungslosigkeit zu versinken. Mit Journalismus hat das nichts zu tun - eher mit Kampagne.

Abgesehen davon, dass der rechtliche Hinweis Unsinn ist, lässt sich ein solcher Beitrag selbst schon fast als Teil einer Verhandlungsstrategie deuten: Den Gegner als »schwierige Persönlichkeit« vorzuführen, wäre dann ein Element davon.

Die Bahn scheint ohnehin einen gewissen Hang zu derlei Profis zu haben. Dass man sich vom einschlägigen Schranner Negotiation Institute (SNI) beraten lasse, weist der Konzern zwar zurück. Fakt ist jedoch, dass ein ständiger Verhandlungsteilnehmer und Chef des Arbeitgeberverbandes, dem die DB angehört, auch als Referent des SNI geführt wird und dort Seminare zum Umgang mit Gewerkschaft und Betriebsrat gibt.

Und was die Pathologisierung des GDL-Chefs als narzisstische Persönlichkeit angeht, wäre mal ein Faktencheck angebracht, vielleicht sogar beim »Focus«. Tatsächlich ist es nämlich so, dass an der Basis - etwa in Berlin - sogar ein unbefristeter Streik gefordert wird. In einem journalistischen Licht wäre Weselsky dann eher gemäßigt.

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