Musterschüler der Schocktherapie
Die Ukraine folgt bereitwillig den Reformauflagen des Internationalen Währungsfonds
»Aus dem hybriden Krieg in der Ukraine ist ein hybrider Frieden geworden.« Staatssekretär im Auswärtigen Amt, Stephan Steinlein, sah als Gastredner beim diesjährigen »east forum Berlin« des Ostausschusses der Deutschen Wirtschaft Hoffnungszeichen im Ukraine-Konflikt. Auch wenn sich die Europäische Union und Russland immer weiter voneinander entfernen - Minsk-II sei nun einmal das einzig Handfeste, was momentan auf dem Tisch liege.
Die Vision einer gemeinsamen Freihandelszone zwischen Lissabon und Wladiwostok ist dagegen angesichts der andauernden Krise im Osten der Ukraine und der gegenseitigen Sanktionen von EU und Russland in weitere Ferne gerückt. Dringlicher scheint zunächst die Verhinderung des wirtschaftlichen Zusammenbruchs der Ukraine. Um den Staatsbankrott abzuwenden, ist das Land auf äußere Geldgeber wie den Internationalen Währungsfonds (IWF), die EU oder Staaten wie Deutschland angewiesen. Rund 40 Milliarden US-Dollar sollen in den nächsten Jahren fließen, allein der IWF hat 17,5 Milliarden US-Dollar davon fest zugesagt.
Weitere Mittel erhofft sich die Ukraine auf einer Geberkonferenz am morgigen Dienstag in Kiew. Die Hoffnungen der Regierung von Arseni Jazenjuk sind nicht unbegründet: Anders als beispielsweise die griechische Regierung unter SYRIZA setzt sie die Auflagen des IWF rigoros um: Aufhebung des festen Wechselkurses der Landeswährung Hryvnia, Reduzierung des Staatsdefizites und Aufhebung der Subventionen im Energiesektor. Zuletzt stiegen die Verbraucherpreise für Gas und Strom vonseiten der staatlichen Energieversorger drastisch.
Auch sonst verfolgt die Kiewer Regierung ein wirtschaftliches Programm, das an Schocktherapien neoliberaler Schule erinnert. Liberalisierung, Deregulierung und Privatisierung neben Korruptionsbekämpfung und der Durchsetzung von Rechtsstaatlichkeit nennt dann auch Dmytro Shymkiv, stellvertretender Leiter der Administration des ukrainischen Präsidenten, während des Forums am Donnerstag in Berlin. Der 39-jährige Ex-Chef von Microsoft in der Ukraine ist zuständig für administrative, wirtschaftliche und soziale Reformen.
»Die beste Regierung, die die Ukraine seit der Unabhängigkeit hat«, lobt Johannes Regenbrecht, Kopf der Task Force zur Ukraine im bundesdeutschen Auswärtigen Amt. Deren größte Herausforderung sei neben der Überwindung postsowjetischer und oligarchischer Strukturen die Schaffung neuer Ordnungen. Die Bevölkerung müsse bei den harten Maßnahmen und Einschnitten wie den drastischen Gaspreiserhöhungen natürlich auch mitgenommen werden.
Es geht um den Wirtschaftskurs einer Regierung, die von »38-jährigen Investmentbankern« dominiert wird, wie Anders Åslund, ein schwedischer Ökonom, meint - und das ausdrücklich begrüßt. Jérôme Vacher, im IWF für die Ukraine zuständig, plädiert für eine optimistische Sicht auf die Umwälzungen: »Die Krise sollte als einzigartige Gelegenheit für Reformen genutzt werden.«
Weiterer Unterstützung durch IWF, EU und auch die Bundesrepublik kann sich die Regierung von Arseni Jazenjuk in Kiew sicher sein. Sie will bis 2017 wirtschaftliche »Stabilität« im Land erreichen - indem sie die Reformauflagen so hart umsetzt. Woher der Wind weht, machte Åslund, der mehr Geld für die Ukraine forderte, mit einem Verweis auf ein anderes krisengeplagtes europäisches Land deutlich: »Die EU hat Griechenland 200 Milliarden Euro an Krediten gewährt und wie viel war es für die Ukraine? Vier Milliarden Euro. 50 Mal so viel für Griechenland, obwohl die nicht die Wahrheit sagen und den richtigen Weg gehen - beides tut die Ukraine.«
Solange die Ukraine die Reformauflagen des IWF erfüllt, kann sie mit der Unterstützung des Westens rechnen - und die Bevölkerung mit weiteren Schocktherapien.
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