Politik ohne Pardon
Ingolf Bossenz über Exekutionen in Indonesien und Deklarationen in Europa
Amazing Grace - erstaunliche Gnade. Der gemeinsame Gesang des bekannten Kirchenlieds war der letzte Trost der Verurteilten, bevor sie von den Salven der Erschießungskommandos getroffen wurden: acht Männer - vier Nigerianer, zwei Australier, ein Brasilianer, ein Indonesier. Ihr Schicksal (und das einer Philippinerin, die überraschend nicht hingerichtet wurde) war seit Wochen weltweit Medienthema: Die Heimatstaaten der ausländischen Delinquenten hatten immer wieder in Jakarta interveniert. Vergeblich. Denn: »Wir führen einen Krieg gegen schreckliche Drogenverbrechen«, begründete Indonesiens Justizminister Muhammad Prasetyo das Beharren auf der Hinrichtung der als Rauschgiftschmuggler Verurteilten. Zudem werden täglich Menschen erschossen, vergiftet, vergast, erhängt oder sonst wie auf justizieller Grundlage umgebracht, ohne dass dies für mediale Aufregung sorgt. Höchstens Amnesty International verweist in ritueller Reaktion auf »vom Staat sanktionierten Mord«.
Nur Stunden, bevor auf der Gefängnisinsel Nusakambanga die Exekutionspelotons den Feuerbefehl erhielten, hatte Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán mit Blick auf sein eigenes Land erklärt, man müsse »die Todesstrafe auf der Tagesordnung behalten«. Europa hat eben doch noch Politiker, die weit blicken. Nach Indonesien. Oder China. Amazing Grace.
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