Zum Mittagessen in die Aula
Der Schulentwicklungsplan bis zum Jahr 2023 stellt vor allem die östlichen Bezirke vor große Herausforderungen
Das Mittagessen gibt es für einige SchülerInnen nur im »Mittagsband« in der fünften Stunde. Ansonsten müssen fast 300 Kinder in zwei Stunden anstehen, essen und wieder abräumen. Knapp 30 Minuten bleiben ihnen dafür. »Von Jahr zu Jahr steigen die Schülerzahlen. Irgendwann ist eine Grenze erreicht«, sagt Claudia Engelmann, Vorsitzende der Gesamtelternvertretung der Grundschule an der Victoriastadt in Lichtenberg. Zusammen mit anderen Eltern wollte sie am gestrigen Dienstag im Schulausschuss des Bezirkes protestieren (die Sitzung fand nach Redaktionsschluss statt), gegen das Akkordmittagessen und gegen die Raumnot bei der Nachmittagsbetreuung. Besser wird es nicht werden. In den Schuljahren 2017/18 soll die Zahl der Schulanfänger an der Schule laut Schulentwicklungsplan des Bezirks von derzeit 119 auf 170 steigen. Kein Wunder, die Schule grenzt an den beliebten Kaskelkiez und die mittlerweile ebenso beliebte Rummelsburger Bucht. Im Einzugsbereich Lichtenberg Mitte werden so bis zum Schuljahr 2018/19 knapp 200 Schulplätze fehlen, heißt es in der Analyse.
Dabei spiegelt die Situation in Lichtenberg nur die Entwicklungen wider, die auch die übrigen Bezirke im Osten vor große Herausforderungen stellen. In den 90er Jahren schlossen aufgrund des Geburtenknicks nach der Wende massenweise Schulen oder wurden umgenutzt. Allein Lichtenberg verlor 27 Grundschulen, damit hatte sich das Grundschulnetz in kurzer Zeit fast halbiert. Damals lag der Berlin-Boom noch in weiter Ferne. Bekannt ist aber seit Jahren, dass die Schülerzahlen in der gesamten Stadt wieder steigen. Allein zwischen 2008 und 2014 kamen fast 1500 Grundschüler in Lichtenberg hinzu und die Anforderungen an die Bildungspolitik von Senatorin Sandra Scheeres (SPD) sind nicht weniger geworden. »Der besondere Bedarf für den Ganztagsbetrieb, die Inklusion oder für die Beschulung von Kindern in Willkommensklassen muss in einem nachhaltigen Plan über Bezirksgrenzen hinweg bedacht werden«, sagt die bildungspolitische Sprecherin der LINKEN, Regina Kittler.
Der neue Schulentwicklungsplan des Senats, der den bis zum Jahr 2011 gültigen fortschreibt, prognostiziert nun bis 2023 einen Anstieg der berlinweiten Schülerzahlen um etwa zwölf Prozent auf 468 000 (derzeit 417 000). Dabei steigen die Zahlen ausnahmslos in allen Bezirken. Am stärksten jedoch in den vier Ost-Bezirken Lichtenberg, Treptow-Köpenick, Marzahn-Hellersdorf und Pankow. »Der Senat legt endlich einen Schulentwicklungsplan vor - nur leider vier Jahre zu spät«, sagt die bildungspolitische Sprecherin der Grünen, Stefanie Remlinger. Sie ärgert besonders, dass der Senat nun schnell mit »Provisorien in Billigbauweise« - gemeint sind modulare Ergänzungsbauten in Fertigteilen- nachbessern will.
Die SchülerInnen der Victoriaschule haben davon bisher wenig. Sie werden künftig auch in der Aula Mittagessen. Weiteren Platz will der Bezirk in besagter Schnellbauweise in der etwa einen Kilometer entfernten Hauptstraße schaffen. Neue Flächen für die Hortbetreuung wird es am alten Standort jedenfalls nicht geben. Als der Förderschwerpunkt der Schule vor Jahren aufgegeben wurde, brauchte die Schule den Platz längst für neue Klassenräume.
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