Der Fuchs und seine Lehren

Über »Münkler-Gate«, von jemandem, der hautnah dran ist

  • Houssam Hamade
  • Lesedauer: 3 Min.
Du musst mal Fuchs, mal Löwe sein können. Das ist eine der wichtigsten Einsichten, die ich von Professor Herfried Münkler (und er von Machiavelli) gelernt habe. Der Fuchs kennt die Schlingen, und der Löwe erschreckt die Wölfe. Das ist nicht nur irgendeine Geschichte, sondern ein Schlüssel zur Beurteilung des Konflikts um den Blog »Münkler-Watch«.

Naturgemäß fand ich anfangs, als linker Student, Münklers Lehrpläne und öffentlichen Aussagen ätzend. Immer wieder machte er Dinge, die uns ärgerten, oder er lästerte (im Chor mit Thilo Sarrazin und Co.) über »Gutmenschen«. Dennoch besuche ich Semester für Semester mindestens einen Kurs oder eine Vorlesung bei ihm. Denn er kann aus dem Stegreif die Atmosphäre beschreiben, in der Marx oder Kant geschrieben haben: Die Öllampen, die Haarschnitte, der Pfeifentabak, was und wie die Zeitungen damals schrieben, was genau zu jener Zeit diskutiert wurde. Auf Nachfrage erklärt er präzise und eloquent die jeweiligen Konzepte und Theorien. Und gerade, wenn man sich über seine Bühnenverliebtheit wundert, erzählt er mit hessischem Zungenschlag von seiner Frau, die immer sage: »Herfried, Du bist eine Rampensau!«. Seine Selbstironie brachte mich mehrfach in die etwas peinliche Situation, nicht mit dem Kichern aufhören zu können.

Die Sprechstunde zu einer Hausarbeit über Hobbes war großartig. Ich fühlte mich gesehen und respektiert. Er brachte meinen, im Nachhinein gesehen, recht krassen Denkfehler mit einem Satz freundlich auf den Punkt, benotete mich fair und es wirkte, als hätte er, der Politikberater der Kanzlerin und öffentliche Intellektuelle, keinen Zeitdruck. Umgeben von seinen Büchern sah er aus wie eine grinsende Eule. Für mich ist er ein hervorragender Professor. Die Betonung liegt dabei auf dem »für mich«. Ich bin in meinen linksgerichteten Ansichten recht gefestigt. Darum ist es für mich enorm hilfreich, mich intensiv mit Fragen auseinanderzusetzen, die mir nicht passen. An Hobbes' Idee, dass eine durch Angst angetriebene gewalttätige Eigendynamik die Menschen und Staaten in einen Kriegszustand stürzt, kommt man nicht vorbei. Man muss mittendurch. Und dafür ist Münkler ein Traum von einem Professor.

In vielerlei anderer Hinsicht ist er aber problematisch. Seine Vorlesung zur politischen Theorie besteht zu ungleichen Teilen aus Theoretikern des eher rechten Spektrums, wie Hobbes, Machiavelli und dem Nazitheoretiker Carl Schmitt. Achtzig Seiten Hobbes werden gelesen, aber nur zehn Seiten Hannah Arendt. Eher rechts oder konservativ ausgerichtete Studierende werden so in ihrer Sicht bestätigt. Er verfolgt recht eindeutig als öffentlicher Intellektueller eine politische Agenda. »Vom deskriptiven Benennen, wie Außenpolitik funktioniere, geht er nahtlos zu seinem normativen Programm über. Hinter diesem Programm steht die Prämisse: Was dem nationalen Interesse dient, ist zu exekutieren«, so kritisiert treffend die Fachschaft der Sozialwissenschaftlichen Fakultät der HU. Er nutzt seinen akademischen Ruf, um die Akzeptanz für deutsche Kriegseinsätze zu erhöhen. Wenn er in einem Interview für den »Spiegel« über »Stechschrittpazifisten« lästert und eine Rückkehr zur »Kriegsnormalität« befürwortet, wird er zum Stich- und Schlagwortgeber für Rechte.

So ist also der differenzierte Professor Münkler eine Chance für links ausgerichtete Studierende, sich intellektuell weiter zu entwickeln. Aber der Professor Münkler als öffentlicher Intellektueller mit seiner politischen Agenda ist so etwas wie ein »natürlicher Feind« der Linken und wird darum selbstverständlich kritisiert. Das Freund-Feind-Schema ist der Kern des Politikbegriffs, wie uns Münkler mit Schmitt lehrt. Die Betreiber der Webseite »Münklerwatch«, die anonym bleiben wollen und sich nicht auf einen direkten Zweikampf mit ihm einlassen wollen, haben gut von ihm gelernt. Füchsisch muss erkannt werden, wo die Schlingen liegen. Eine solche wäre eben ein direktes Duell mit einem Professor seines Rufes und seiner Wortmacht. Aus Erfahrung wissen sie, dass der öffentliche Intellektuelle Münkler sich nicht scheut, von seinen Machtmitteln Gebrauch zu machen. Recht haben und Recht behalten sind zweierlei. Dieser Konflikt an der HU sollte nüchterner betrachtet werden, ohne gleich von einer angeblichen Hexenjagd zu schwadronieren, wie in vielen Kommentaren und Artikeln zu lesen ist. Auch braucht man nicht auf den Trick Münklers hineinfallen und einen anonymen Blog, der sich mindestens bemüht, sachlich zu sein, Nazi- oder Stasimethoden vorzuwerfen.

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken von Socken mit Haltung und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.
- Anzeige -

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.