Frühstück vor der Biberbucht
Im niedersächsischen Hitzacker lädt das Heimatmuseum zu Touren auf der Elbe - mit dem Sofafloß
»Wenn man vor 40 Jahren einen Film in die Elbe gehängt hat, konnte man ihn entwickelt wieder rausziehen - soviel Chemikalien waren im Wasser.« Diese alte Unkerei zeitigt auch heute noch Lacher bei den zwölf Frühaufstehern, die sich an einem kühlen Maimorgen auf den Fluss gewagt haben. Die Leute aus Tirol, Bayern und Sachsen sitzen auf dem Sofafloß »Carmen«, sind mit ihm in Hitzacker gestartet, einem 5000-Seelen-Städtchen im Kreis Lüchow-Dannenberg im Ostzipfel Niedersachsens. »Und früher hat der Fluss gestunken«, ergänzt ein Begleiter den Film-Spruch. Inzwischen stinkt die Elbe schon seit Jahren nicht mehr. Davon können sich die Floßpassagiere überzeugen, sie sind dem Wasser ganz nah.
Dem Fluss greifbar und begreifbar nah sein, seine Strudel bestaunen, Tiere am Ufer begucken, das Wasser rauschen hören und dabei Geschichten über die Elbe lauschen: »Das ist der Sinn unseres in Deutschland einmaligen Konzepts ›Ein Museum geht auf die Elbe‹«, erläutert der Mann am Steuerrad des originellen Wasserfahrzeugs, Klaus Lehmann. Der pensionierte Lehrer leitet Hitzackers Heimatmuseum und wollte dessen Ausstellung zur Elbe um das Erleben des Flusses bereichern. Vor drei Jahren kam er auf die Floß-Idee. Das Museum charterte die »Carmen«, stattete sie für bequeme und zugleich informative Fahrten aus. Ein Echolot kam an Bord, um die wechselnden Elbtiefen zu zeigen, Ferngläser zum Blick auf Seeadler oder Graugans liegen bereit, und gegen die kühle Morgenluft gibt’s mollige Decken. Ein Aufdruck verrät, wo sie bereits Wärme spendeten: in einem Anti-Atomkraft Camp. Gorleben ist nicht weit.
Mit fünf Kilometern pro Stunde tuckert das Floß dahin. War da drüben nicht die Grenze? Richtig. Klaus Lehmann zeigt Fotos von Gitterzäunen, erzählt von deutsch-deutschen Begegnungen auf dem Fluss. Sein Bett muss regelmäßig untersucht werden, um die Schifffahrt vor neu entstandenen Untiefen zu warnen. Oft hatten sich deshalb Vermessungsboote von DDR und BRD getroffen, ihre Besatzungen tauschten Erfahrungen aus, und nicht nur das. Für ein West-Werkzeug revanchierten sich die Ost-Kollegen schon mal mit einem saftigen Wildschweinbraten aus heimischen Wäldern.
Saftig ist auch der Schinken, der auf die Tische des Floßes kommt, nebst anderen Leckereien, Brötchen und Kaffee. Frühstückszeit! Klaus Lehmann gönnt sich einen Happen, dann erzählt er wieder. Von Tieren, die sich am Ufer tummeln. Nahe der Frühstücksrunde ist die Biberbucht zu sehen. Verdorrte Bäume, von den Nagern gefällt, liegen dort. »Da schwimmt ein Biber!«, ruft jemand. Nur kurz taucht der Paddelschwanz auf.
Am Ufer gegenüber kommt ein Klappstuhl in Sicht, ein Mann mit Angelrute füllt ihn aus. Fische aus der Elbe? Ja, sie sind genießbar, reagiert Klaus Lehmann auf die fragende Miene eines Floßgastes. Ja, der Fluss ist wieder sauber. Wohl ähnlich sauber wie damals, als in ihm noch geschwommen wurde. Kurz vor Ende der Tour zeigen sich Holzpfosten, die aus dem Wasser ragen: Überreste der Stege des Hitzackeraner Strandbades. Fotos aus den 1930er Jahren belegen, wie gut besucht es seinerzeit war.
Das massenhafte Einleiten von Schadstoffen und die folgende Wasserverschmutzung beendeten den Badespaß. Aber auch das ist schon Geschichte. Diese und viele andere Erkenntnisse vermittelt eine Fahrt mit dem Sofafloß auf der Elbe.
Informationen zu den Touren im Internet unter www.museum-hitzacker.de
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