»Suche Vermieter mit Herz«
Mieter aus der Schöneberger Gleditschstraße wehren sich gegen Verdrängung
»Suche Vermieter mit Herz« und »Hier wird verdrängt«: Schilder mit solchen Aufschriften haben die Mieter der Gleditschstraße 49 - 63 in Schöneberg in den letzten Monaten häufig auf Kundgebungen gezeigt. Sie haben Angst vor Verdrängung, wehren sich, gehen auf die Straße, fordern die Bezirkspolitiker zum Handeln auf und haben die Mietergemeinschaft Gleditschstraße gegründet. Lange Zeit waren die zwischen 1958 und 1960 gebauten Häuser Vorzeigeprojekte der Wohnungsbaugesellschaft Gagfah. Nach mehreren Eigentümerwechseln sind die Gebäude mittlerweile im Besitz der Immobilienfirma Industria Bau- und Vermietungsgesellschaft. Seitdem ist unter den ca. 250 Mietern der Häuser die Angst gewachsen und die neuen Besitzer haben dazu beigetragen. So hat die Industrie Bau die Mieter zur Duldung der angekündigten Modernisierung aufgefordert. Andernfalls sei der Investor gehalten, »umgehend Duldungsklage zu erheben«, heißt es in Schreiben an die Hausbewohner. »Dabei hatten die Mieter lediglich - wie von Mietervereinen empfohlen - von ihrem Recht Gebrauch gemacht, auf finanzielle und soziale Härten hinzuweisen«, meint Jens Hakenes von der Mietergemeinschaft Gleditschstraße. Anstatt das Gespräch mit den Mietern zu suchen, habe die Industria Bau- und Vermietungsgesellschaft schweres Geschütz aufgefahren und die Bewohner noch mehr verunsichert, so Hakenes.
Die Mietergemeinschaft kritisiert indes nicht den Investor, sondern die Schöneberger Bezirkspolitik. Enttäuscht sind sie vor allem über die geringen Möglichkeiten der Politik, mit der sozialen Erhaltungsverordnung (EVO) die Modernisierung sozialverträglich für die Mieter zu gestalten. Dabei betont die Mieterinitiative, dass sie die Bemühungen der zuständigen Stadträtin für Gesundheit, Soziales Stadtentwicklung und Bauen in Tempelhof-Schöneberg Sibyll Klotz (Grüne) anerkennt. Doch die Instrumente seien stumpf. »Die EVO ist entgegen allen Versprechen und Beteuerungen kein geeignetes Mittel, um die Vertreibung von Mietern zu verhindern, wenn sie nicht weiter entwickelt und auch konsequent angewendet wird«, sagt Hakenes. In dieser Einschätzung ist er sich mit der Stadträtin einig. »Das Ziel einer EVO ist nicht, Modernisierungen insgesamt zu verhindern. Eine EVO ist ebenfalls kein Instrument, Mietsteigerungen direkt zu begrenzen, Mietrecht ist Bundesrecht«, sagt Sibyll Klotz dem »nd«. Sie sieht in dem EVO allerdings ein Instrument, das es dem Bezirksamt ermöglicht, exorbitanten Umlagen und damit Verdrängung entgegenzuwirken.
Doch viel Hoffnung macht Klotz den Mietern in der Gleditschstraße nicht. »Die Auseinandersetzung, was Gegenstand einer Instandhaltung und was Gegenstand einer Modernisierung ist, die auf die Miete umgelegt wird, muss zwischen Mieter und Vermieter geregelt werden. Daran ist weder das Bezirksamt noch die Bauaufsicht beteiligt.«
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.