Problem frappierender Einsamkeit
Der Verein Paula Panke feiert Geburtstag. Ein Gespräch über 25 Jahre Frauenpower
Pankow gilt als wohlhabender Bezirk. Warum wird das Frauenzentrum Paula Panke trotzdem gebraucht?
Wo Reichtum ist, ist auch immer Armut. Wir haben es auch in Pankow mit Armut und existenzgefährdenden Lebenssituationen zu tun. Es gibt viele Frauen mit hohen Schulden oder Frauen, die von Obdachlosigkeit bedroht sind. Außerdem gibt es das Phänomen, dass sich Frauen aus hochgebildeten, mittelständischen Familien darauf verlassen, dass der Mann sie versorgt. Nach einer Trennung steht die Frau allein da - mit drei Kindern, zehn Jahre aus dem Beruf raus. Und da beginnen die Probleme.
Wie können Sie diesen Frauen helfen?
Wir verstehen uns als Stärkungszentrum für Frauen, die in Krisensituationen geraten, vor allem Alleinerziehende und Ältere, aber auch Frauen, die familiäre Gewalt erleben. Tagsüber bieten wir Selbsthilfegruppen, beispielsweise für junge Mütter, für Frauen in der Lebensmitte und für Großmütter. Das stärkt Nachbarschaftlichkeit. Daneben gibt es Beratungen von Anwältinnen zu Familienrecht, ALG II und Mietrecht. In den Abendstunden haben wir politische und kulturelle Veranstaltungen.
Reichen die Kulturangebote in Berlin nicht aus?
Es geht um die Sicherung kultureller und bildungspolitischer Teilhabe. Wir gehen davon aus, dass immer weniger Menschen die kommerziellen Angebote nutzen können. Wir wollen, dass auch Frauen mit wenigen Ressourcen eine qualitätsvolle Lesung erleben können.
Produziert ein geschlossener Raum für Frauen nicht auch wieder Ausschlüsse?
Wir haben viele Veranstaltungen, die offen für Männer sind. Aber man braucht trotzdem Schutzräume. Veranstaltungen bekommen einen anderen Charakter, wenn Männer dabei sind. Wenn wir über körperliche Veränderungen, weibliches Älterwerden oder Einsamkeit reden, dann macht man das nicht mit Männern.
Paula Panke ist ein Kind der Wendezeit. Vor welchen Herausforderungen standen die Frauen damals?
Frauen mussten im Vereinigungsprozess die größten Lasten tragen. Sie waren die Ersten, die entlassen wurden und Kindereinrichtungen lösten sich auf. Über Nacht gab es außerdem eine völlig neue Gesetzgebung. Da brauchten die Frauen juristische Unterstützung. Gerade in der Anfangszeit haben wir dabei viel Unterstützung von den Frauenprojekten aus dem Westen bekommen.
Vor 25 Jahren ging es um die Verarbeitung der Wende. Vor welchen strukturellen Problemen stehen Frauen heutzutage?
Wir haben in der Großstadt das Problem frappierender Einsamkeit. Das manifestiert sich vor allem bei alten Menschen und bei alleinerziehenden Müttern. Außerdem birgt die älter werdende Gesellschaft Herausforderungen. Wir haben hier viele Frauen, die über 80 sind und alleine leben. Manchmal wissen wir nicht, ob die für sich sorgen können, ob da noch Familie ist, welche Pflegestufe die haben. Da kommen wir an unsere Grenzen.
Das Projekt begeht sein 25-jähriges Jubiläum. Welche Erfolge gibt es zu feiern?
Der größte Erfolg besteht darin, dass es uns noch gibt. Ansonsten hat Paula Panke sich immer durch die Kinderbetreuung ausgezeichnet. Am Anfang wurden die Kinder hier im Projekt über ABM-Kräfte betreut, dann hatten wir ein Wahlgroßelternprojekt. Richtig bekannt geworden ist Paula Ende der 2000er Jahre. Da hatten wir das Pionierprojekt einer flexiblen Kinderbetreuung mit 25 Stellen aus dem öffentlichen Sektor. Vor allem ältere Frauen, die auf dem ersten Arbeitsmarkt kaum vermittelbar waren, konnten wir so zu anständigen Löhnen anstellen. Und wir feiern das zehnjährige Jubiläum des Frauenladens in Weißensee und 20 Jahre Zufluchtswohnung.
In die Zufluchtswohnung kommen Frauen, die häusliche Gewalt erlebt haben. Welche Menschen sind davon betroffen?
Gewalt gegen Frauen ist kein Armutsproblem. Das gibt es in allen Bevölkerungsschichten. Wir haben ganz entsetzliche Geschichten in wohlhabenden und auch berühmten Familien. Frauen, die in der Zufluchtswohnung leben, können bei uns die Rechtsberatung nutzen und an Veranstaltungen teilnehmen.
Gab es in den 25 Jahren auch Rückschläge?
Das Angebot der Kinderbetreuung ist zusammen mit der rot-roten Regierung zerbrochen. Jetzt gibt es nicht mehr die Instrumente, mit denen man so etwas finanzieren kann. Wir sind von 30 auf sieben Mitarbeiterinnen geschrumpft. Wir müssen jedes Jahr Tausende Anträge stellen und uns dafür rechtfertigen, was wir tun. Dabei sollte doch klar sein, dass solche Projekte die Zivilgesellschaft stärken.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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