Russland hält zu Blatter und steuert auf WM-Bauskandal zu

Präsident Wladimir Putin sieht in den Verhaftungen in der Schweiz eine US-Kampagne. Bei »Großbaustellen« könnten bald Häftlinge mitbauen

  • Irina Wolkowa, Moskau
  • Lesedauer: 3 Min.
Aus Angst, die WM 2018 zu verlieren, stellt sich Russland hinter Sepp Blatter. Die Kosten für den Stadienbau laufen derweil aus dem Ufer.

Russlands Präsident Wladimir Putin hat die Korruptionsermittlungen gegen Funktionäre der FIFA als Versuch der USA verurteilt, Russland die WM 2018 zu entziehen. »Wir wissen von dem Druck, der auf Herrn Blatter ausgeübt wurde, Russland die WM wegzunehmen«, sagte Putin am Donnerstag in Moskau. »Diese Funktionäre sind keine US-Bürger. Die USA haben mit dem Fall nichts zu tun«, kritisierte Putin laut Interfax. Zudem hatte jedoch die Schweizer Staatsanwaltschaft ein Strafverfahren rund um die Vergabe der WM 2018 an Russland und 2022 an Katar gestartet.

Putin bekräftigte zwar, es gebe kein »spezielles Verhältnis« zwischen Russland und Blatter. Er nahm ihn aber demonstrativ in Schutz: Die Ermittlungen seien ein Vorwand, die Wiederwahl des Verbandsbosses zu verhindern, kritisierte Putin. Auch der russische Energiekonzern Gazprom werde Partner der FIFA bleiben.

So sehr Putin den USA eine Ablenkungstaktik vorwirft, so sehr trifft dies auch auf den Präsidenten selbst zu. Schließlich veröffentlichte der russische Rechnungshof jüngst Erkenntnisse aus 2014 durchgeführten Kontrollen im Sportministerium. Die sind verheerend und liefern der Schweiz zusätzlich Munition in den unterstellten Versuchen, die WM-Vergabe an Russland anzufechten.

Die WM-Pläne, heißt es in dem Report, müssten überarbeitet und sogar korrigiert werden. Ein Teil der Arenen werde nach veralteten Projektunterlagen gebaut, in mehreren Fällen habe der Auftraggeber - eine dem Sportministerium unterstellte Organisation - nicht einmal Angebote von Bewerbern eingeholt. Besonders besorgniserregend sei die Situation in Kaliningrad und Nischni Nowgorod. Geld sei bereits angewiesen, der Baufortschritt bei den Stadien hinke dem Zeitplan jedoch weit hinterher.

In mindestens vier weiteren Fällen gehen die Prüfer davon aus, dass potenzielle Auftragnehmer bei Ausschreibungen gefälschte Unterlagen eingereicht haben oder solche, deren Geltungszeitraum bereits abgelaufen war. So sollen sie sich Verträge im Gesamtvolumen von 14 Millionen Rubel (255 000 Euro) erschlichen haben. Eine Lappalie im Vergleich zum Gesamtschaden, den die Prüfer mit bis zu 700 Milliarden Rubel (13 Milliarden Euro) veranschlagen. Denn bei 43 Prozent der insgesamt 124 WM-Objekte müsste der Finanzierungsbedarf »aktualisiert« - im Klartext: nach oben korrigiert - werden.

Die Fußball-WM könnte ein ähnliches Milliardengrab werden wie die Olympischen Winterspiele 2014 in Sotschi, bei denen das ursprüngliche Budget fast um das Zehnfache überschritten worden war. Auch bei der WM wird es wohl nicht bei den derzeit kalkulierten 637,6 Milliarden Rubel - 11,8 Milliarden Euro - bleiben. Importe - darunter Baumaterial - haben sich durch den schwachen Rubel erheblich verteuert.

Um die Kosten in den Griff zu bekommen, sind selbst exzentrische Initiativen willkommen. Die von Alexei Hinstein beispielsweise, der mit Mandat der Kremlpartei »Einiges Russland« in der Duma sitzt und eine Vorlage eingebrachte, die den Einsatz von Häftlingen auf Großbaustellen ermöglichen soll. Zwar werden WM-Objekte nicht ausdrücklich erwähnt. Doch der Begriff »Einsatz bei Unternehmen aller Organisations- und Eigentumsformen« gibt das durchaus her und so mancher Provinzfürst leckt sich bereits vor Vorfreude über die billigen Arbeitskräfte die Lippen. An Freiwilligen dürfte es nicht mangeln. Auf dem Bau sollen die Häftlinge monatlich mit bis zu 15 000 Rubeln entlohnt werden - knapp 280 Euro.

Die Strafvollzugsbehörde steht dem Vorhaben als Möglichkeit zur Resozialisierung auch sehr aufgeschlossen gegenüber, will potenzielle Arbeitgeber aber dazu verdonnern, auf dem Bau für fluchtsichere Unterkünfte zu sorgen oder den ebenfalls fluchtsicheren täglichen Transport vom Lager zur Baustelle zu übernehmen und zu finanzieren.

Moskau, so der für Stadtentwicklung zuständige Minister Marat Husnullin, will - zumindest bei den WM-Bauten - auf Häftlinge verzichten. Es gäbe weder Planrückstände noch Probleme mit Arbeitskräften und deren Bezahlung, sagte er der Online-Agentur Gaseta.ru. Auch seien bestimmte Objekte extrem kompliziert und nichts für ungelernte Häftlinge.

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