»Merkel ist noch die Fortschrittlichste«
Greenpeace-International-Chef Kumi Naidoo über das G7-Treffen in Elmau und den Kampf gegen die Erderwärmung
In einer Woche treffen sich die Staats- und Regierungschefs der G7 im bayrischen Elmau. Der Klimawandel wird da ein großes Thema sein. Ginge es nach Ihnen, würden die G7 dort beschließen, dass ab 2050 nur noch aus erneuerbaren Quellen Energie gewonnen wird …
Das wäre ein sehr starkes Signal für die UN-Klimakonferenz im Herbst dieses Jahres in Paris.
Doch wäre das Ziel auch realistisch?
Es ist absolut realistisch, wenn es dafür auch wirklich den politischen Willen gibt.
Was macht Sie da so sicher?
Noch vor einigen Jahren glaubte niemand daran, dass Strom aus Windkraft, Sonnenenergie und anderen regenerativen Quellen sich wirtschaftlich rechnen und konkurrenzfähig werden würde. Weder die internationale Energieagentur noch die Weltbank oder der Internationale Währungsfonds dachten das. Nur wir und einige andere kleine Organisationen glaubten daran.
Womit Sie auch Recht behielten.
Ja. Und dies, obwohl die Erneuerbaren kaum gefördert wurden. Stattdessen erhält die fossile Energieindustrie noch heute Subventionen in Höhe von 5,3 Billionen US-Dollar jährlich. Das entspricht 6,5 Prozent der globalen Wirtschaftsleistung. Allein die Erdölindustrie bekommt 1,4 Billionen Dollar.
Was würde passieren, wenn die Subventionen gestrichen würden?
Dann würden all die großen Energiekonzerne, die es jetzt gibt, bankrott gehen. Doch dass dies passiert, ist unwahrscheinlich. Denn viele unserer Regierungen sind völlig von der Erdöl-, Kohle- und Gaslobby beherrscht, die mit dem jetzigen Energiesystem riesige Profite machen und immer wieder behaupten, dass eine Welt ohne fossile Energieträger nicht erreichbar sei.
Ist die Technik überhaupt so weit?
Natürlich geht es bei der Frage, wie eine Welt ohne fossile Energieträger erreicht werden kann, nicht nur um den Ausbau der Erneuerbaren. Man bräuchte etwa auch wirkliche Fortschritte bei der Energieeffizienz. Doch auch das ist mittlerweile technisch möglich. Und man darf eins nicht vergessen: Trotz der absoluten Zögerlichkeit der Regierungen gegenüber den Erneuerbaren sind sie die Energiequellen, die derzeit am meisten wachsen.
Mit den G7 sprechen Sie vor allem die Industriestaaten an. Doch ist das Potenzial der Erneuerbaren in Entwicklungsländern nicht größer?
Da stimme ich Ihnen zu. Das hat vor allem zwei Gründe: Zum einen ist vor allem Solarenergie dort das ganze Jahr über nahezu grenzenlos vorhanden, da die Entwicklungsländer meist im globalen Süden sind und es dort heißer ist. Zum anderen gibt es dort viele Gegenden, in denen es wahnsinnigen Nachholbedarf bezüglich deren Infrastruktur gibt.
Was hat dies mit der Energiewende zu tun?
Nehmen wir das ländliche Indien. Dort gibt es viele Menschen, die unter Energiearmut leiden und keinen Zugang zu Elektrizität haben. Denen kann man mit einigen Solarzellen schnell und kostengünstig enorm helfen. Sie erhalten so Strom für Wasserpumpen, können ihre Schulen und Häuser nachts beleuchten sowie kleine Geschäfte aufmachen. Damit wird also nicht nur etwas gegen den Klimawandel getan, sondern auch Armut effektiv bekämpft. Und obendrein macht es die Welt sicherer.
Inwiefern machen Erneuerbare die Welt sicherer?
Die Folgen des Klimawandels und der Kampf um die immer knapper werdenden fossilen Energieressourcen werden in den kommenden Jahrzehnten vermutlich die größten Bedrohungen für Frieden, Sicherheit und Stabilität sein. Davor warnten die CIA und das Pentagon bereits 2003 in einer Studie.
Sie wollen die G7-Staaten bewegen, mehr gegen den Klimawandel zu tun. Doch sind die großen Staaten nicht vielmehr Teil des Problems?
Das ist ein gute Frage, weil die Wirtschaft dieser Länder die fossilen Energieträger als Basis hat. Und eine demokratische Legitimation haben die G7 eigentlich auch nicht. Insofern kann man sie einen undemokratischen Club oder gar ein Kartell nennen.
Was nützt es dann, Forderungen an das G7-Treffen im bayrischen Elmau zu stellen?
Zwar hat die Bedeutung der G7 mittlerweile abgenommen. Doch die meisten Schwellen- und Entwicklungsländer richten sich immer noch nach ihnen aus. Und das ist die machtpolitische Realität. Eine Entscheidung der G7, etwa mehr gegen den Klimawandel zu unternehmen, hat eine Wirkung, die weit über ihre Mitgliedsstaaten hinaus geht.
Beim G7-Treffen in Elmau setzen Sie besonders auf Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Hierzulande ist sie aber nicht gerade bekannt für ihren Kampf gegen die Erderwärmung.
Die Kanzlerin hätte sicherlich in der Vergangenheit und auch jetzt mehr gegen den Klimawandel tun müssen. Sie hätte zum Beispiel nicht zulassen sollen, dass die deutsche Automobilindustrie auf europäischer Ebene strengere CO2-Grenzwerte für Pkw torpedierte.
Warum setzen Sie dann trotzdem Ihre Hoffnung in sie?
Die berechtigte Kritik an Frau Merkel verkennt das große Problem, das wir derzeit weltweit mit der Erderwärmung haben. Und in Sachen Energiewende ist die Kanzlerin sicherlich eine der fortschrittlichsten Staats- und Regierungschefs, die wir weltweit haben. Sie als Gastgeberin in Elmau könnte gerade in Hinblick auf die Pariser Klimaverhandlungen im Herbst ein wichtiges Zeichen setzen.
Sie schreiben jedoch selbst, dass auch Deutschland sein Ziel, die Reduktion von 40 Prozent der klimaschädlichen CO2-Emissionen bis zum Jahr 2020, vermutlich nicht schafft.
Deswegen ist es so wichtig, dass Deutschland tatsächlich die Kohleabgabe, wie sie derzeit für alte und besonders klimaschädliche Kraftwerke im Gespräch ist, ohne Abstriche einführt.
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