Kreditprogramm, Knackpunkte, Kompromisse

Jenseits von Ermahnungen und SYRIZA-Kritik: Fragen und Antworten zu den Verhandlungen zwischen Athen und den Gläubigern

  • Vincent Körner
  • Lesedauer: 3 Min.
Im Ringen um eine Einigung über die von den Gläubigern blockierte Kreditauszahlung für Griechenland sind aus Europa Ermahnungen in Richtung Athen zu hören – und die SYRIZA-geführte Regierung kritisiert die neoliberale Krisenpolitik. Ein paar Fakten zum Stand der Verhandlungen:

Worum geht es eigentlich?

Mit der Einigung vom 20. Februar im Rahmen der Eurogruppe wurde das zweite, seit Februar 2012 laufende Kreditprogramm für Griechenland bis Ende Juni 2015 verlängert. Und zwar im Rahmen der in den bestehenden »Vereinbarungen enthaltenen Bedingungen unter optimaler Nutzung der darin gegebenen Flexibilität« – das heißt: mit der Möglichkeit, dass die SYRIZA-geführte Regierung andere Maßnahmen zur Erhöhung der Staatseinnahmen ergreift als die bisherige, vor allem auf Sozialkürzungen und Privatisierung basierende Austeritätspolitik der Vorgängerregierung. Athen sollte dazu sogenannte Reformlisten vorlegen.

Wie viel Geld bekommt Athen?

Seit 2010 haben griechische Regierungen insgesamt rund 240 Milliarden Euro an Krediten erhalten. Verschiedenen Berechnungen zufolge ging der größte Teil davon für die Bedienung von Altschulden, Zinszahlungen und die Rettung von Banken drauf. Laut Attac Österreich flossen über 77 Prozent der Kredite direkt oder indirekt in den Finanzsektor zurück. Aus dem laufenden Kreditprogramm wurde zuletzt im August 2014 Geld an Griechenland überwiesen. Derzeit geht es um die Auszahlung von verbliebenen Kredittranchen in Höhe von insgesamt 7,2 Milliarden Euro.

Wann muss Athen zurückzahlen?

Bisher hat Griechenland alle Rückzahlungen pünktlich erfüllt – und dafür teils das letzte Geld zusammengekratzt. Gehälter und Pensionen sollen aber auch im Notfall vorgehen. Im Juni muss die Regierung in Athen in vier Raten knapp 1,6 Milliarden Euro an den IWF zurückzahlen: am 5. Juni rund 303 Millionen, am 12. Juni rund 341 Millionen, am 16. Juni rund 568 Millionen und am 19. Juni rund 341 Millionen. Hinzu kommen Rückzahlungsverpflichtungen aus kurz laufenden Staatsanleihen. Im Juli werden weitere 3,9 Milliarden Euro fällig – an IWF, EZB und Europäische Investitionsbank.

Was ist besonders strittig?

SYRIZA will keine erneute Senkung von Renten und Gehältern im öffentlichen Dienst akzeptieren; zu Änderungen am Rentensystem ist man aber bereit. Zugeständnisse könnte es bei Vorruhestandsregelungen oder Sonderzahlungen für ärmere Pensionisten geben. Die Gläubiger drängen darauf, dass das griechische Rentensystem künftig ohne Zuweisungen aus dem Staatsetat auskommen muss. Das lehnt die Regierung ab.

Beim Primärüberschuss, also der Differenz von Einnahmen und Ausgaben ohne Zinszahlungen für Schulden, will Athen die geltenden Ziele heruntersetzen, um mehr Spielraum für andere Maßnahmen zu bekommen. In Rede stehen Ziele für den Primärüberschuss von unter einem Prozent für 2015; 1,5 bis zwei Prozent für 2016 und 2,5 Prozent für 2017. Die EU-Kommission könnte das mittragen, der IWF will höhere Marken.

Umstritten ist auch die Reform der Mehrwertsteuer: Athen strebt eine Drei-Stufen-Regelung mit Steuersätzen von sieben, 14 und 22 Prozent an. Die Gläubiger bevorzugen eine zweistufige Abgabe von zehn und 23 Prozent. Die SYRIZA-geführte Regierung lehnt auch die von den Gläubigern geforderte Deregulierung des Arbeitsmarktes ab, mit dem das System der Tarifverträge und der Löhne flexibilisiert werden soll.

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.