Duma und Datscha

Russische Debatte um vorgezogene Parlamentswahlen

  • Irina Wolkowa, Moskau
  • Lesedauer: 2 Min.
Um nur zwei Monate vorgezogene Dumawahlen in Russland könnten durchaus deren Ergebnis verändern - zugunsten der Kremlpartei.

Bisher sind es nur einzelne Volksvertreter, die an einem Entwurf für vorgezogene Parlamentsneuwahlen werkeln. Statt im Dezember 2016 sollen die 450 Sitze der Duma bereits zwei Monate früher neu vergeben werden. Unter den Initiatoren sind indes auch Abgeordnete der Kremlpartei »Einiges Russland«. Deren Fraktionsführung will sich offiziell kommenden Montag entscheiden. Doch Vize-Fraktionschef Franz Klinzewitsch ließ die Medien wissen, eine Vorverlegung sei »zweckmäßig«.

Die Kommunisten sind laut ZK-Sekretär Sergei Obuchow »kategorisch« dagegen. Parteichef Gennadi Sjuganow indes gab sich kompromissbereit. Vorausgesetzt Kremlchef Wladimir Putin, der sich dazu bisher nicht vernehmen ließ, treffe sich mit den Chefs der wichtigsten Parteien zwecks »konstruktiver Lösungen«.

Eine Vorverlegung wird öffentlich mit der Haushaltsdebatte begründet: Die alte Duma solle nicht das Budget verabschieden, mit dem die neue arbeiten werde. Sparfüchse glauben zudem an Synergie-Effekte, wenn die Parlaments- zugleich mit den Regional- und Kommunalwahlen abgehalten werden. Sie wurden schon vor zwei Jahren auf den zweiten Septembersonntag vorverlegt, wodurch die Wahlbeteiligung kräftig zurückging. Der Wahlkampf spielt sich in eher leeren Städten ab: Die einen Wahlbürger sonnen sich am Meer, andere jäten auf der Datscha.

Niedrige Wahlbeteiligung aber, sagen Experten, schade den Liberalen. Weil sie nicht in der Duma vertreten sind, besteht für staatliche oder staatsnahe TV-Kanäle keine Pflicht, über sie zu berichten. Viele fahren so wenig Stimmen ein, dass sie von der staatlichen Parteienfinanzierung nichts abgreifen können. Gewarnt durch das Schicksal Michail Chodorkowskis halten sich private Spender zurück. Entsprechend dünn ist die finanzielle und die Personaldecke.

Auch gehen die Russen, wenn überhaupt, vor allem im Spätherbst und im Winter auf die Straße, um ihrem Frust über steigende Heizkosten und andere soziale Grausamkeiten Luft zu machen. Auf eben dieses Potenzial setzt die »Demokratische Koalition«. Liberale Kleinstparteien verständigten sich nach dem Mord an Oppositionsführer Boris Nemzow im Februar auf eine gemeinsame Kandidatenliste und die Kontentration auf soziale Forderungen.

Doch nicht die »Demokratische Koalition« halte der Kreml für gefährlich, wie Politikwissenschaftler Konstantin Kalatschew glaubt. Das seien schwer beeinflussbare Unabhängige, die sich um Direktmandate bewerben. Sie könnten die Wiederherstellung der 2011 verlorenen Zweidrittelmehrheit der Kremlpartei stören. Wirtschaftlich enorm unter Druck müsse Putin - auch um Machtkontinuität bei den Präsidentenwahlen 2018 zu sichern - die Zügel innenpolitisch noch straffer anziehen.

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