»Stabilitätsanker« mit erheblichen Defiziten
Trotz Protest gegen Menschenrechtsverletzungen in Ägypten zeigt sich dessen Präsident in Berlin zufrieden
Die medialen Wogen um die vermeintlichen Schwierigkeiten des Umgangs mit dem ägyptischen Staatsbesuch waren am Ende wohl weit höher als die tatsächlichen politischen Differenzen mit ihm.
Abdel Fattah al-Sisi, bis Juli 2013 General, Oberbefehlshaber der ägyptischen Streitkräfte und seit seinem Putsch gegen den gewählten Präsidenten Mohammed Mursi dessen Nachfolger, dürfte einigermaßen zufrieden mit den Ergebnissen seines Deutschlandbesuchs nach Kairo zurückkehren.
Sowohl das Gespräch mit seinem Amtskollegen Joachim Gauck als auch das anschließende mit Bundeskanzlerin Angela Merkel bezeichnete man in der Begleitung des ägyptischen Staatspräsidenten als »höchst zufriedenstellend«. Mit der von Merkel wiedergegebenen Äußerung »Deutschland lehnt die Todesstrafe ab« kann Sisi offenbar gut leben. Ihre Bemerkung zu dem Todesurteil auch gegen Mursi (»Dies ist aus unserer Sicht etwas, was man vermeiden sollte.«) ist nicht mehr als eine Feststellung und enthält keinerlei Protest gegen die Verurteilung Mursis an sich, den die Kanzlerin im Januar 2013 an selbiger Stelle als Präsidenten empfangen hatte.
Zufrieden zeigte sich Sisi, dass man Ägypten unter seiner Führung öffentlich als »Stabilitätsanker« und Verbündeten des Westens im Kampf gegen islamistischen Terrorismus lobte, noch mehr aber mit den Wirtschaftsgesprächen, die über beide Besuchstage laufen.
Bereits am Mittwoch war klar: Siemens wird in Ägypten ein milliardenschweres Gas- und Dampfturbinenkraftwerk sowie Windkraftanlagen bauen. Weitere Projekte sollen dem Land helfen, bis 2020 ein Drittel mehr Strom zu erzeugen.
Der Protest gegen den Putsch in Ägypten und die brutale Unterdrückung jeglicher Opposition formierte sich außerhalb des Offiziellen. Vor dem Schloss Bellevue demonstrierten 20 bis 30 Personen gegen den Besuch Sisis. Vor allem Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) hatte seine Missbilligung gegenüber der Politik Sisis offen geäußert und eine Begegnung mit ihm abgesagt. »Ich hätte mir gewünscht, dass eine Zusammenarbeit auch zwischen den Parlamenten beider Länder möglich wäre«, sagte Lammert gegenüber dpa. »Eine solche war mit dem damals gewählten Parlament auch vereinbart«, fügte er hinzu. »Inzwischen gibt es in Ägypten aber weder ein Parlament noch eine konkrete Aussicht auf entsprechende Wahlen.« Stattdessen würden oppositionelle Gruppen verfolgt, es gebe Massenverhaftungen und zahlreiche Todesurteile.
Lammert erklärte jedoch auch, die Einladung des ägyptischen Präsidenten an sich seitens der Bundesregierung habe er aus gutem Grund nicht beanstandet. Die Kontaktpflege zu Regierungen in anderen Ländern könne nicht zur Bedingung haben, dass diese den eigenen Vorstellungen von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit genüge. »Ein enger Draht der Bundesregierung zu einer Regierung eines wichtigen Landes in einer wichtigen Region ist wünschenswert und notwendig.«
Ähnlich hatte sich der Vorsitzende der LINKEN-Fraktion im Bundestag, Gregor Gysi, geäußert. »Weil Dialog die einzige Möglichkeit ist, Einfluss auf die Lösung von Konflikten zu nehmen, wäre es falsch, nicht mit Sisi zu sprechen«, schrieb Gysi im Kurznachrichtendienst Twitter.
Die Grünen hatten den Besuch dagegen abgelehnt. Die Bundestagsabgeordnete Franziska Brantner kritisierte, die Einladung sei unter der Voraussetzung ausgesprochen worden, dass in Ägypten Parlamentswahlen stattfinden, sagte sie im Deutschlandradio. Diese habe es aber immer noch nicht gegeben. Die Menschenrechtslage in Ägypten habe sich weiter verschlechtert.
Überschwängliches Lob erntete Sisi dagegen vom CDU/CSU-Fraktionsvorsitzenden im Bundestag, Volker Kauder, der Sisi im ägyptischen Fernsehen Fernsehen einen »überzeugenden und glaubwürdigen Mann« nannte.
Viele von der aktuellen ägyptischen Regierung Verfolgte hatten wohl die - nicht sehr realistische - Hoffnung auf eine starke Unterstützung für sich aus Deutschland. Yahya Hamid, Wirtschaftsminister zu Zeiten des Präsidenten Mursi, beklagte im türkischen Exil, die Menschenrechtslage sei »die schlimmste Situation seit Jahrzehnten«. Demonstranten würden beschossen, festgenommen, drangsaliert und verfolgt. Hamid forderte die westlichen Staaten, vor allem Deutschland, auf, die Zustände in den Gefängnissen Ägyptens zu untersuchen. Zehntausende Regime-Kritiker in dem arabischen Land seien inhaftiert.
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