Fußball-WM: Frauen als Ausputzer

Ausgerechnet mit der am Sonnabend in Kanada startenden Weltmeisterschaft der Fußballerinnen will der Weltverband FIFA sein Image polieren

  • Luise Wagner, Vancouver
  • Lesedauer: 3 Min.
In Kanada ist die Erleichterung groß, dass Sepp Blatter zurücktritt. Die WM-Gastgeber befürchteten, dass die Fußballerinnen unter dem FIFA-Skandal zu leiden hätten.

Nach den vergangenen Tagen der Schnappatmung atmet Kanada auf. Denn trotz all der Meldungen über Interpol-Fahndungslisten und Verhaftungen im FIFA-Hauptquartier in Zürich musste das Marketing für die WM der Fußballerinnen im Land endlich ins Rollen kommen. Mittlerweile ist alles vorbereitet: der Kunstrasen aufgeklebt, 900 000 Tickets bereits verkauft, das Eröffnungsspiel mit 50 000 Zuschauern bestens vermarktet, die Medien eingeladen, die Kickerinnen in Topform.

Da wird in Kanada der Rücktritt des selbst ernannten Vaters des Frauenfußballs, Sepp Blatter, als doppelte Erlösung betrachtet. Zum einen, weil die Hassfigur aus dem öffentlichen Bild rückt und außerdem, weil die WM-Eröffnung etwas befreiter gefeiert werden kann. Denn das Land, das sich gern zu den unbestechlichen Nationen zählt, soll nun mitten im größten Moment der FIFA-Kritik die freudige Gastgebernation spielen.

»Ich denke, wir haben die Moral im Fußball verloren«, sagte Victor Montagliani, Präsident der Canadian Soccer Association (CSA) resigniert. Nach Blatters Rücktritt hoffe er nun »dass das Turnier einen Neuanfang darstelle, um die Moral wieder zurückzugewinnen.« Die WM und die kickenden Frauen sollen dabei helfen.

Ausgerechnet die Fußballerinnen, die im wahnwitzigen Fußballgeschäft immer nur eine Nebenrolle gespielt haben und nur Bruchteile der Einnahmen ihrer männlichen Berufskollegen verdienen, sollen nun ausputzen. Mütter, Frauen mit Berufen und Nebenjobs, Studentinnen - also Sportlerinnen, die im FIFA-Rummel zu den jährlichen Trophäenverleihungen immer nur kurz ins Rampenlicht rücken und im ungemütlichen Abendkleid neben Cristiano Ronaldo stehen dürfen. Hinter vorgehaltener Hand fragen sich so einige Fußballerinnen auch, ob der Sturm auf die Züricher FIFA-Zentrale so auch drei Tage vor einer WM der Männer stattgefunden hätte.

»Jetzt gehört das Turnier wieder den Frauen«, erklärt Montagliani zur kanadischen Presse und macht seinem Gastgeberland Mut. »Der Frauenfußball ist so etwas wie ein Lichtstrahl am düsteren Himmel«, meint Montagliani, denn: »Weiblicher Fußball befindet sich noch in einem reinen Zustand. Diese Mädchen spielen wirklich für ihr Land und weil sie Fußball lieben. Hier geht es nicht ums Geldverdienen und es gibt keine millionenschwere Athleten. Das Ganze hat eine gewisse Reinheit.«

Weil sich Kanada auch im Weltfußball zu den unbestechlichen Nationen zählt, ärgert man sich besonders, wenn der Einfluss der FIFA plötzlich im eigenen Land spürbar wird. Sämtliche Infrastruktur rund um die WM bleibt in der Hand des anrüchigen Fußball-Weltverbandes. Das reicht von der Hotelreservierung für die Teams bis zum Getränke-Sponsoring. »Alles ist hier leider fest im Griff der FIFA - ein reicher und schwer zu durchschauender Verein«, sagt Teambetreuerin Kim Blake von der kanadischen Nationalmannschaft.

In der westkanadischen Metropole Vancouver, wo am Montag WM-Titelverteidiger Japan gegen die Schweiz zum Auftakt antritt, tröstet die Stadtzeitung »The Province« ihre Leser nach Blatters Rücktritt: »Now you can feel a little less dirty about buying your tickets.« Jetzt darf man sich also etwas weniger schmutzig fühlen, wenn man von der FIFA Tickets kauft.

Gewitzelt wird auch darüber, ob Blatter mit dem Zeitpunkt des Rücktritts nun doch ein gutes Herz zeigte und als »alter Freund« der Fußballerinnen das Turnier nicht vermiesen wollte. Immerhin hatte er schon einmal großes Interesse für den Frauenfußball bewiesen. 2011 wollte Blatter zur WM in Deutschland knappe Höschen als Turnierbekleidung einführen, um die Werbeeinahmen zu steigern. Die frühere amerikanische Nationalspielerin Julie Maurine Foudy sagte damals: »Wir werden erst engere Shorts tragen, wenn Blatter auf seinen Pressekonferenzen im Badeanzug auftritt!« Vor zwei Tagen twitterte sie nun in Vorfreude auf die WM: »Hallelujah, Sepp Blatter is out!«

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.