Ungeduld in Fischbeck zwei Jahre nach der Flut
Der Ort an der Elbe ist noch immer eine große Baustelle - gerade bei kommunalen Bauten geht es kaum voran
Eine komplette Straße, das Vereinshaus, der Deich, die Feuerwehrwache - wenn Bürgermeister Bodo Ladwig zwei Jahre nach der Flut durch sein Fischbeck fährt, sieht er Baustellen über Baustellen. »Wir sind noch am Anfang des Weges. Das hätten wir uns nicht gedacht, wir wollten doch schon viel weiter sein«, sagt er. Viel optimistischer war Ladwig (parteilos) noch, als er kurz nach dem Dammbruch im Juni 2013 sagte, das in Schlamm- und Wassermassen ertränkte Fischbeck werde wieder aufgebaut, schöner als es je war. Heute sagt er: »In fünf Jahren ist es vielleicht soweit.«
Auch wenn Bayern, Sachsen, Thüringen und viele andere Gegenden in Sachsen-Anhalt ebenfalls von dem gigantischen Hochwasser 2013 betroffen waren - Fischbeck ist so etwas wie das Synonym für diese Flut geworden. In einer spektakulären Aktion waren drei Lastkähne gesprengt worden, um den gigantischen Deichbruch an der Elbe zu verschließen. Die ganze Elbe-Havel-Region lief voll wie eine Badewanne. Milliardenschwere Schäden gab es landesweit. Inzwischen arbeitet schweres Baugerät am neuen Deich. Unmengen Material werden verbaut, damit Fischbeck nicht wieder von einem Hochwasser überschwemmt wird.
An der Haustür von Karin Standke etwa hängt in 80 Zentimetern Höhe ein Metallschild: »Hochwasser Elbe 10.6.2013«. Die 74-Jährige kann den Tag ohnehin nicht vergessen. »Besucher können es sich gar nicht richtig vorstellen«, sagt sie. Die stinkende Brühe mit Erdreich und Unrat stieg hoch und höher. Ihr Sohn bat sie, schnell den Hund und das Nötigste mitzunehmen und zu ihm zu ziehen. »Für drei Tage vielleicht, dachte ich damals«, sagt die Rentnerin. Tatsächlich wurden Monate daraus.
Aber Standke nahm trotz ihres Alters die Herausforderung an und begann mit dem Wiederaufbau ihres Elternhauses. Etwas anderes konnte sie sich nicht vorstellen. Inzwischen sitzt sie auf dem Hof ihres fertig sanierten Hauses, inmitten ihrer geliebten Pflanzen. »Die Rosen blühen jetzt den ersten Sommer«, sagt sie. Zu tun sei aber immer noch viel. Ein Vordach im Garten kommt noch, die Scheune nebenan ist noch nicht fertig. Und wenn Standke vor ihr Haus tritt, blickt sie auf eine komplett aufgerissene Straße, sie wird nach dem Hochwasser nun völlig erneuert.
»Die Privaten sind mit der Schadensbeseitigung zu vielleicht 90 Prozent fertig«, schätzt Bürgermeister Ladwig. Doch wenn die Leute auf den kommunalen Teil schauen, werden sie ungeduldig. Im Haus der Vereine sind innen blanke Wände zu sehen, Kegelbahn, Küche, Einrichtung - alles weg. Kürzlich sei mit dem Bau eines neuen Feuerwehrhauses begonnen worden - fast zwei Jahre nach der Flut. Der Sportplatz ist noch immer nicht angefasst. Damit das Sportlerheim nicht zu schimmeln anfängt, haben sie außen schon mal den Putz abgeklopft. »Wir warten immer noch auf die Bewilligung«, sagt Ladwig. »Die Leute fragen: Warum tut sich zwei Jahre nach der Flut nichts.«
Die Investitionsbank (IB) und das Landesverwaltungsamt bearbeiten noch viele Anträge. Bei der IB sind knapp 7000 Hochwasser-Anträge eingegangen, davon etwa 1500 von Unternehmen, sagt eine Sprecherin. Mehr als 5000 Bewilligungen über insgesamt 236 Millionen Euro seien schon erteilt. Das Landesverwaltungsamt, das sich vor allem um Schäden an der kommunalen Infrastruktur und den Hochwasserschutzanlagen kümmert, hat mehr als 2600 Anträge bekommen. Gut 1900 sind aktuellen Zahlen zufolge inzwischen bewilligt, bei rund 1100 floss erst Geld. Eine Gesamtsumme von mehr als 103,5 Millionen Euro macht das.
Kommunalchef Ladwig sagt über sich selbst: »Ich bin dreifach hochwassergeschädigt: Einmal in der Gemeinde, einmal im Betrieb und einmal privat.« In seinem Haus an der Hauptstraße sind große Risse zu erkennen. Ein Problem, das inzwischen viele im Ort haben. Das Grundwasser geht zurück, es kommt zur Setzung. »Die Fachleute sagen, das ist mit zwei Jahren noch nicht abgetan.« Gerade erst sei eine Familie zu ihm gekommen, die ihr Haus abreißen muss wegen der Spätschäden - es ist das 16. in der Gemeinde, das nicht mehr zu retten ist.
Für die Betroffenen läuft dennoch die Zeit, denn Anträge können nur noch bis Ende Juni gestellt werden. Ladwig hofft, dass es ihnen danach nicht allzu schwer gemacht wird, Hilfe zu bekommen. dpa/nd
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