Exporte gen Osten gehen zurück
Thüringer Unternehmen leiden unter EU-Sanktionen wegen der Ukraine-Krise
Erfurt. Die EU-Sanktionen gegen Russland belasten zunehmend das Exportgeschäft der Thüringer Unternehmen. Die Krise der russischen Wirtschaft habe inzwischen zu deutlichen Umsatzeinbußen bei den Betrieben geführt, sagte der Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer (IHK) Erfurt, Gerald Grusser. Im vergangenen Jahr seien die Exporte bereits um 10,6 Prozent auf 340 Millionen Euro gesunken. Noch stärker seien die Lieferungen in die Ukraine eingebrochen - um 34 Prozent auf 51 Millionen Euro.
Grusser sieht neben den Sanktionen die schwache Konjunktur in Russland und »das gestörte Geschäftsklima« als Gründe, weshalb der Handel eingebrochen ist. Die Kammer in Ostthüringen sprach ebenfalls von einem massiven Rückgang bei den Aufträgen. Russland sei als ein wichtiger Markt mit viel Potenzial und Bedarf an modernster Technologie gesehen worden, erläuterte eine Sprecherin und ergänzte: »Es wurden zwar inzwischen weitere Verträge unterschrieben, aber auch mit dem Risiko, dass diese auf Eis gelegt werden.«
»Die meisten Russen befinden sich im Sparmodus«, erklärte Grusser. Das hänge auch mit der Abwertung des Rubels, dem niedrigen Ölpreis und den hohen Zinsen für Kredite zusammen. »Thüringer Firmen spüren bei den russischen Geschäftspartnern vermehrt Zahlungsschwierigkeiten, zurückgehende Kommunikation und leider auch einen verstärkten Blick nach Asien.«
Betriebe in Ostdeutschland leiden besonders unter der schwachen russischen Konjunktur, weil sie nach Einschätzung von Experten eine traditionell stärkere Bindung an die einstigen Ostblockstaaten haben. Betroffen sind Branchen wie Zulieferer, Maschinenbau oder Optik. In der ostdeutschen Textilindustrie war das Russland-Geschäft 2014 sogar um mehr als 40 Prozent eingebrochen. Aus Thüringen werden vor allem Waren aus Kunststoff, Pharmazeutika, Werkzeuge und Fahrzeuge nach Russland geliefert.
Nach Ansicht der IHK sollten die Betriebe dennoch weiter mit ihren russischen Geschäftspartnern in Kontakt bleiben. »Unternehmen sollten versuchen, die Geschäftsbereiche, die nicht von den Sanktionen erfasst werden, konsequent weiterzuverfolgen und auszubauen«, empfahl Grusser. Parallel dazu sollten sie erwägen, neue Absatzmärkte zu erschließen. Derzeit unterhalten 370 Thüringer Betriebe Handelsbeziehungen nach Russland, 187 in die Ukraine.
Indirekt bekommen auch Lebensmittelbetriebe die Auswirkungen rund um die Krise in der Ukraine zu spüren. Im vergangenen August verhängte Russland als Antwort auf die Sanktionen ein Einfuhrverbot für Agrarprodukte und Lebensmittel aus der EU. Nach Angaben des Thüringer Bauernverbandes ist dadurch das Angebot auf dem europäischen Markt viel größer geworden. Jedes Jahr seien rund 250 000 Tonnen Käse nach Russland gegangen. Die müssten nun auf dem europäischen Markt abgesetzt werden.
Thüringen ist mit den Probleme nicht allein. Die Russland-Exporte beispielsweise aus Sachsen-Anhalt sanken 2014 gegenüber 2013 um ein Viertel. Im Ukraine-Geschäft gab es im gleichen Zeitraum demnach ein Exportminus von 44 Prozent. Besonders der Maschinen- und Anlagenbau seien betroffen, hieß es aus der IHK. Auch sächsische und Brandenburger Unternehmen meldeten gesunkene Exporte. dpa/nd
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