Exiljournalist nennt Europaspiele in Baku »PR-Show für ein totalitäres Land«

Kritik an stiller Diplomatie deutscher Sportfunktionäre

  • Lesedauer: 2 Min.
Für die am Freitag beginnenden Europaspiele im aserbaidschanischen Baku seien Menschen gestorben, sagt Emin Milli im nd-Interview. Hoffnung auf eine Verbesserung der Menschenrechtslage hat er keine.

Der regimekritische aserbaidschanische Journalist Emin Milli hat die an diesem Freitag beginnenden Europaspiele in Baku als Werbung für die dort herrschende Familie Alijew kritisiert. »Alle, die an den Spielen teilnehmen, sollen wissen, dass sie an einer PR-Show für ein totalitäres Land teilnehmen«, sagte Milli im nd-Interview. »Eine einzige Familie hat ein ganzes Land im Griff und presst es aus«, fasst Milli die wirtschaftliche und politische Situation in seiner Heimat zusammen, das von Präsident Ilham Alijew in der Nachfolge seines Vaters seit 2003 regiert wird.

Für die erstmals stattfindenden Europaspiele seien schon Menschen gestorben. »Die Regierung hat versucht, die Stadt für die Spiele zu verschönern. An mehr als 800 Häusern wurden neue Fassaden angebracht, dafür wurden leider leicht brennbare Materialien verwendet. Mehrere Bürger haben die Behörden darauf aufmerksam gemacht und sich beschwert, doch sie wurden immer wieder abgewiesen und beschwichtigt. Am 19. Mai brannte dann ein Hochhaus in Baku, 16 Menschen starben«, berichtete Milli.

Hoffnung, dass die Aufmerksamkeit, die Europa wegen der Spiele auf sein Land richtet, politisch etwas bewirkt, hat der 36-Jährige nicht. »Nach der Aufmerksamkeit durch den Eurovision Song Contest 2012 wurden viele Menschenrechtler, Journalisten und Aktivisten verhaftet.« Stille Diplomatie, wie sie der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) mit Gesprächen vor Ort angekündigt hat, lehnt Milli ab. Stattdessen wünsche er sich politische Statements von Athleten.

Emin Milli ist einer der wenigen regimekritischen Journalisten aus Aserbaidshan, die derzeit nicht inhaftiert sind. Nach jahrelangen Repressionen und einem 16-monatigen Gefängnisaufenthalt hat er 2013 das Land verlassen und betreibt heute von Berlin aus den Internet-Fernsehsender »Meydan.tv«.

Das Interview mit Emin Milli lesen Sie in der nd-Dienstagausgabe.

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

Vielen Dank!